REUTLINGEN. Als Lokalredakteurin Eva-Maria Bast 2010 in Überlingen eine kleine Einritzung an einer Hauswand entdeckt hatte, die ihr zuvor noch nie aufgefallen war, nahm eine Erfolgsgeschichte ihren Lauf. Ihre Recherchen ergaben, dass dieser Strich mit einem Vulkanausbruch in Indonesien zusammenhing. Das faszinierte sie - und begeisterte wenig später durch die daraus entwachsene Serie für Basts Heimatzeitung auch die Jury der Konrad-Adenauer-Stiftung, die seit 1980 den Deutschen Lokaljournalistenpreis vergibt.
Heute hat Eva-Maria Bast die Überlinger Redaktion hinter sich gelassen, ist als Bestsellerautorin, Dozentin und Verlegerin viel unterwegs - unter anderem war sie jüngst in Reutlingen. Denn »Geheimnisse der Heimat« wurde zur Buchreihe. Mit rund 50 verschiedenen Co-Autoren begab sie sich dafür schon in Deutschlands Städten auf die Suche nach kleinen, unscheinbaren Dingen, an denen man oft achtlos vorübergeht, hinter denen aber große Geschichten stecken. Damit möchte sie »Geschichte greifbar« und für viele Menschen interessant machen. Zuletzt hat sie dazu den GEA ins Boot geholt - für ein Buch voller »Geheimnisse der Heimat« über Reutlingen.

Die GEA-Redakteure Dieter Reisner und Claudia Reicherter haben nun bis April die schöne Aufgabe, für das Buchprojekt 50 »Reutlinger Geheimnisse« zu lüften. Deshalb streifen sie bereits seit Wochen besonders aufmerksam durch die Stadt und ihre Bezirksgemeinden. Sie suchen Objekte, Bauwerke und allgemein zugängliche Orte, hinter denen besondere Anekdoten stecken. Sie wollen aber außerdem die Menschen, die sich um ihre Stadt und deren Geschichte bemühen und kümmern, würdigen. Deshalb suchen die Autoren Reutlinger, die sich in ihrem Stadtteil oder ihrer Bezirksgemeinde gut auskennen. Als »Geheimnispaten« sollen sie im Buch zu Wort kommen, mit dem geheimnisvollen Ort oder Objekt auch zu sehen sein und so im Mittelpunkt der Geschichten stehen.

Eine erste Sammlung an Themenideen steht. Einige ausgewiesene Reutlingen-Kenner haben sich bereit erklärt, bei der Aufdeckung kurioser Hintergründe zu helfen. Aber es gibt Fälle, da sind selbst Stadtarchivare, Geschichtsvereinsexperten, Museumsleiter und Touristenführer überfragt. Für einige offene Fragen soll nun die sogenannte Schwarmintelligenz angezapft werden.
Zum Beispiel fragt sich Claudia Reicherter: Was steckt hinter dem Mini-Tor in der Mauer neben dem Zugang zum Eckhaus Weibermarkt/Metzgerstraße gegenüber dem M 59? Ist das eine frühzeitliche Katzenklappe oder eine Durchreiche für Holzscheite in den Keller?
Warum der einst angesehene Reutlinger Literat und Hesse-Freund Ludwig Finckh öffentlich in Ungnade gefallen ist, lässt sich bei einem Ausflug auf die Bodensee-Halbinsel Höri im Hesse-Museum in Gaienhofen herausfinden - es hat unter anderem mit Finckhs zustimmender Einstellung »zur planmäßigen Züchtung von Menschen und zur Euthanasie« zu tun. Aber wie kommt ein Stein mit den Lebensdaten des Dichters - 1876 bis 1964 - an den Achalm-Aufstieg? Ist es ein Gedenk- oder Grabstein? Weshalb wurde dafür diese Stelle gewählt?
Zudem stachen ihr beim Blick nach oben allerlei geheimnisvolle Ausschmückungen an bekannten Bauwerken ins Auge: Was bedeuten die Zeichen, mit denen der Achalm-Turm verziert ist? Sie sehen aus wie Buchstaben, aber wofür stehen die?

Auch einer der beiden kleinen Türme der Marienkirche wirft Fragen auf: Weiß jemand, weshalb dort knapp unterhalb des Dachs Abbildungen von Tieren angebracht sind? Fledermaus, Schnecke, Salamander und Spinne: Was haben sie zu bedeuten? Und was macht der Adler am Eck der ehemaligen Apotheke zwischen Wilhelmstraße und Markplatz? Weshalb ist Reutlingen auf alten Radios zwischen London, Marseille, Paris und Algier aufgeführt? Geheimnislüfter für all diese Fragen sind willkommen.

Dieter Reisner sucht Experten für Straßennamen wie das Reutlinger Diebsteigle. Und möchte einer Gruppe von Figuren unterm Dachvorsprung der Spitalhoffassade auf den Grund gehen. Links ein Weiblein, rechts ein Männlein - und dazwischen was? Ein gefiederter Bock, ein Drache, ein Monster? Unter den drei Figuren steht »Marcus«. Wissen Sie etwas darüber? Dann helfen Sie mit, lassen Sie uns Ihre Erklärungen zukommen, möglichst fundiert, keine Märchen.
Geheimnis-Paten bitte melden
Wer ein Reutlinger Geheimnis hütet und dies teilen möchte oder Antworten auf eine unserer Fragen hat, wende sich gerne schriftlich oder telefonisch an die Lokalredaktion Reutlingen des Reutlinger General-Anzeigers, Burgstraße 1-7, 72764 Reutlingen, Stichwort »Geheimnisse der Heimat«; per E-Mail an claudia.reicherter@gea.de oder dieter.reisner@gea.de; oder am Telefon unter 07121 302341. Wir werden die Themen aufnehmen, prüfen, weiterverfolgen und gegebenenfalls gern in unsere Liste aufnehmen. (dia)
Auch wenn Sie von einem besonders gut gehüteten Geheimnis wissen, freuen wir uns, wenn Sie uns das zuflüstern. Die beiden Redakteure prüfen und sammeln im Lauf der nächsten Monate diese Geschichten, um sie in der Reutlingen-Ausgabe der Buch-Reihe, die im Herbst 2026 erscheinen soll, und danach zum Teil auch im GEA wiederzugeben. (GEA)




