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Aktuell Museum

Vertrag trägt Münsingens Namen

Die Geschichte der Stadt wird in den Räumen des Alten Schlosses zeitgemäß veranschaulicht

Von Leerstand war damals noch keine Rede: Raumhohe Innenstadtansichten aus Münsingen im Alten Schloss. FOTO: PRIVAT
Von Leerstand war damals noch keine Rede: Raumhohe Innenstadtansichten aus Münsingen im Alten Schloss. FOTO: PRIVAT
Von Leerstand war damals noch keine Rede: Raumhohe Innenstadtansichten aus Münsingen im Alten Schloss. FOTO: PRIVAT

MÜNSINGEN. »Temporär geschlossen – digital geöffnet«: Diesen Hinweis haben Kulturinteressierte bei ihrer Suche nach geöffneten Museen im Lande bedingt durch Corona bisher gefunden. Seit dem Wochenende ist eine Lockerung in Sicht. Auch Münsingens Museen klären derzeit, wann es – mit Vorsicht und Hygienekonzept – weitergehen kann. Stadtarchivar Yannik Krebs rechnet aktuell mit einer Öffnung Ende Mai, Anfang Juni. Bis dahin kann das Stadtmuseum im Alten Schloss nur digital besucht werden. Weil der »virtuelle Rundgang« auf der Internetseite der Stadt auf ein paar wenige Fotos und Beschreibungen reduziert bleiben muss, gibt Krebs jetzt auf diese Weise einen besseren Einblick in das Haus und richtet sein Augenmerk dabei auf manch besonderen Schatz aus vergangenen Tagen.

Als Sammelsurium an Kuriositäten aus zurückliegenden Jahrhunderten hat sich das Münsinger Heimatmuseum vielleicht früher mal präsentiert. Längst aber ist es ein Besucher jeden Alters ansprechendes und daher sehenswertes Stadtmuseum geworden. Auch wenn die vielen knarzenden Stufen, die hinaufführen in die obere Etage des Alten Schlosses, zunächst anderes vermuten lassen würden. Anlässlich der 1 200-Jahrfeier der Stadt Münsingen wurde die einstige Altertumssammlung, deren Grundstein der Münsinger Kaufmann Carl Schoell 1912 gelegt hatte, deutlich entrümpelt sowie neu gestaltet. Sie braucht seither den Vergleich mit modernen Einrichtungen in vergleichbaren Städten nicht mehr zu scheuen.

Mit Hörstationen

Die Regie des Hauses obliegt seit 2017 Stadtarchivar Yannik Krebs. Er bereichert zusammen mit einem in Sachen Zeitgeschichte sehr engagieren Geschichtsverein dieses Museum auch immer wieder mit interessanten Vorträgen sowie Sonderausstellungen.

So ist man jetzt, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, mit der Aufarbeitung dieses Themas mit Blick auf die damalige Münsinger Situation auf dem Laufenden. Allerdings kann auch das Ergebnis dieser Recherchen erst dann in den Räumen des Stadtmuseums gezeigt werden, sobald die Öffnungssperre im ganzen Haus wieder aufgehoben werden darf. Für Yannik Krebs steht jetzt schon fest, dass ein Teil dieser sehr professionell aufbereiteten und mit verschiedenen Hörstationen bereicherten Sonderausstellung später sogar auf Dauer im Hause verbleiben soll: »Die NS-Zeit ist im Stadtmuseum bislang noch überhaupt nicht präsentiert, sondern lediglich im Jüdischen Museum in Buttenhausen mit thematisiert«, erklärt der Stadtarchivar, dass er diese ebenfalls zur Münsinger Stadtgeschichte gehörende Ära hier nicht weiter ausklammern möchte.

Dass man so schöne Bilder aus Haaren fertigen kann, verblüfft nicht nur Stadtarchivar Yannik Krebs.
Dass man so schöne Bilder aus Haaren fertigen kann, verblüfft nicht nur Stadtarchivar Yannik Krebs. Foto: Privat
Dass man so schöne Bilder aus Haaren fertigen kann, verblüfft nicht nur Stadtarchivar Yannik Krebs.
Foto: Privat

Beherrschendes Thema im Museum im Alten Schloss ist der »Münsinger Vertrag«, der unter dieser Bezeichnung die Wiedervereinigung des geteilten Württembergs im Jahre 1482 ermöglicht hatte. Vierzig Jahre zuvor hatten sich die beiden Brüder Ludwig I. und Ulrich V. im »Nürtinger Vertrag« auf die Teilung ihres Erbes verständig. Wobei die Uracher Linie mit dem späteren Gründer der Universität Tübingen, Eberhard im Barte, damit ganz gut gefahren war. Der Stuttgarter Landes-erbe aber lebte über seine Verhältnisse: Ihm drohte quasi die Pleite. Die Zusammenführung der beiden Landesteile löste auch die Nachfolgerprobleme, die Eberhard im Barte umtrieben. Und so war letztendlich beiden Regenten geholfen. Dieses in Münsingen stattgefundene Ereignis wird in einem kleinen Film für Museumsbesucher historisch korrekt und dennoch unterhaltsam dargestellt. Auch die mit prächtigen Siegeln geschmückte Urkunde ist zu sehen, wobei das Original im Staatsarchiv in Stuttgart aufbewahrt wird.

Umschlagplatz für Nachrichten

Münsingens bürgerliches Leben veranschaulichen neben diversen Exponaten auch raumhohe Schwarz-Weiß-Fotos einiger wichtiger Gebäude der Stadt, zu denen eben nicht nur Schloss und Rathaus gehört haben, sondern alte Kaufmannshäuser und Wirtschaften wie das frühere »Waldhorn« am Münsinger Marktplatz. Von Leerständen – wie heute – konnte auf dieser Flaniermeile von damals nicht die Rede sein: Stolz präsentieren sich auf den historischen Aufnahmen sowohl Ladenbesitzer als auch ihre Kundschaft.

Und noch einer steht in Lebensgröße und voller Montur vor den Museumsbesuchern: Münsingens Postillion vor der Tuffsteinfassade des einst Königlichen Postamts, das nach der Gründung des Truppenübungsplatzes zum Umschlagsplatz für Nachrichten einfacher Soldaten an ihre Liebsten daheim, aber auch für Berge von amtlichen Depeschen geworden ist. Letztlich bis zu seiner Schließung im Jahre 2005.

Wer weiß, dass im Zusammenhang mit der einstigen Erweiterung des Münsinger Militärgeländes das Dorf Gruorn 1939 endgültig geräumt und bis auf das ehemalige Schulhaus sowie die Stephanuskirche platt gemacht wurde, denkt bei den im Stadtmuseum gezeigten Fresken sowie dem Taufstein unweigerlich an diese Geschichte. Doch er irrt. Gruorns Taufstein war zwar tatsächlich mal hier ausgestellt. Längst befindet er sich jedoch in der Münsinger Martinskirche, wo er bei Taufen protestantischer Kinder gute Dienste leistet. Das archaisch anmutende halbkugelige Steinbecken, das im Museum gezeigt wird, war stattdessen irgendwann einmal in der Martinskirche außer Dienst gestellt worden …

Und was ist mit den im Stadtmuseum gezeigten Fresken? Die Tafeln haben mit Münsingen eigentlich überhaupt nichts zu tun, gesteht Yannik Krebs, stammen sie doch aus der Münzdorfer Marienkapelle. »Warum wir die hier haben, hat sich mir noch nicht erschlossen«, erklärt der Stadtarchivar. Schön und sehenswert sind sie aber auf alle Fälle. Noch so ein Kuriosum ist ein Ungetüm von einem Stuhl aus Holz, bei dem es sich um einen Gebärstuhl oder ein anderes frühes gynäkologisches Möbel handeln soll. Auf jeden Fall ist das Exponat aus privatem Besitz ein absoluter Blickfang. »Oh Gott, auf so einem Stuhl….?«, bekunden Museumsbesucher immer mal wieder ihr Mitleid mit den armen, darauf gebärenden Frauen.

Walburga Enderle, eine Münsingerin, die von 1855 bis 1937 gelebt hat, war eine Künstlerin, was das Flechten und Formen und Sticken mit den Haaren ihrer Geschlechtsgenossinnen anbelangt. Zu ihrer Zeit war es Mode, aus den Haaren nicht nur Verstorbener kunstvolle Bilder zur Erinnerung herzustellen. Auch ein Gruß von der Liebsten an ihren Angebeteten wurde gerne mit einer Locke aufgewertet. Drei Haarbilder Walburga Enderles sind im Stadtmuseum in Münsingen zu bewundern und zählen zu den Lieblingsstücken von Yannik Krebs: »Ich finde sie unter allen Ausstellungsstücken mit am beeindruckendsten«, gesteht der 30-jährige Stadtarchivar. Und auch, dass nicht wenige Besucher des Hauses »völlig baff sind, dass man so etwas Schönes aus Haaren fertigen konnte«. (GEA)

NACHMITTAGS GEÖFFNET

Sobald man wieder darf, kann man Münsingens Stadtmuseum im Alten Schloss immer donnerstags sowie an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 17 Uhr besuchen. (oel)

www.muensingen.de