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Aktuell Tierschutz

Drohnenteams retten Kitze in Münsingen

Mit dem Frühling kommt die Mahd: Drohnenteams der Jägervereinigung Münsingen sind jetzt im Einsatz

Neugeborene Kitze ducken sich tief ins Gras. Drohnenpiloten machen sie mit Wärmebildkameras ausfindig. FOTO: KREISJÄGERVEREINIGU
Neugeborene Kitze ducken sich tief ins Gras. Drohnenpiloten machen sie mit Wärmebildkameras ausfindig. FOTO: KREISJÄGERVEREINIGUNG
Neugeborene Kitze ducken sich tief ins Gras. Drohnenpiloten machen sie mit Wärmebildkameras ausfindig. FOTO: KREISJÄGERVEREINIGUNG

MÜNSINGEN. Morgenstund hat Gold im Mund. Bei Sonnenaufgang retten ehrenamtliche Drohnenpiloten und ihre Helfer Rehkitzen das Leben, und zwar mithilfe von Drohnen, die mit Wärmebildkameras ausgestattet sind. Kitze halten sich zum Schutz vor Feinden nach der Geburt häufig im hohen Gras von Wiesen auf, die genau in diesen ersten Lebenswochen gemäht werden.

Die Kitze sind aus der Kabine großer Traktoren und durch die heutzutage hohe Arbeitsgeschwindigkeit so gut wie nicht zu entdecken – und anstatt vor der drohenden Gefahr davonzulaufen, löst ihr Instinkt einen Duckmechanismus aus. Der hilft gegen Greifvögel, Fuchs und Co., aber eben nicht gegen ein Mähwerk. Jährlich werden allein in Deutschland etwa 100 000 Rehkitze durch Mähmaschinen getötet, schreibt Petra Reidel, Presseobfrau der Jägervereinigung (JV) Münsingen. Dabei werden viele Jungtiere durch den tiefen Schnitt des Kreiselmähers zuerst verstümmelt und sind nicht sofort tot. Um den Tieren dieses Leid zu ersparen, haben sich Jägerinnen und Jäger der JV Münsingen zu ehrenamtlichen Drohnenpiloten ausbilden lassen.

Im Team mit Jäger und Landwirt

Die Kitzrettung ist den Jägern und Landwirten schon immer ein großes Anliegen. Hatte man früher mit Hunden gesucht, Vogelscheuchen aufgestellt oder mit ganzen Schulklassen die Wiesen »verstänkert«, so hilft nun die moderne Technik mit viel Effektivität beim Tierschutz. Das Rettungssystem lebt vom Miteinander von Landwirt, Jagdpächter und Drohnenteam. Dabei hat der Jagdpächter die Aufgabe, den Kontakt zu den Landwirten zu halten, damit diese den Mähzeitpunkt möglichst frühzeitig bekannt geben. Dadurch können die Drohnenpiloten die Einsätze zeitsparend planen, um beispielsweise in der derzeitigen Hauptsetzzeit viel Fläche abzufliegen. Der Jagdpächter übernimmt beim Einsatz die Aufgabe, das gefundene Kitz zu binden, also zu fangen. Angefasst wird es mit Gummihandschuhen und Grasbüscheln, um keinen Menschengeruch zu hinterlassen. Danach legt man es vorsichtig in einen Jutesack oder einen großen Karton.

»Sobald das Kitz im dunklen luftigen Sack oder Karton liegt, wird es ganz ruhig. Die ganz frisch Geborenen sind noch nicht mobil, aber ab dem fünften Tag wird das Fangen zur sportlichen Herausforderung, denn die Kitze laufen weg«, ergänzen die Drohnenteams der JV Münsingen. Nach der erfolgreichen Rettung ist der Landwirt wieder am Zug: Er muss zügig die Wiese mähen, damit die Kitze so schnell als möglich freigelassen werden können. Dies geschieht durch den Jagdpächter, der die Tiere am Waldrand der Wiese freigibt. »Es ist ein echtes Glücksgefühl, zu beobachten wie sich Geiß und Kitz wiederfinden«, so ein Jagdpächter, der im Jahr 2021 13 Kitze auf der Alb vor dem sicheren Tod durch die Mahd retten konnte.

Um vier Uhr morgens klingelt der Wecker bei den Drohnenpiloten, damit spätestens um fünf Uhr die Drohne am ersten Einsatzpunkt fliegt. Zu dieser frühen Morgenstunde beginnen viele Tage des Drohnenteams. Fällt beim Überfliegen der Felder eine rot dargestellte Wärmesignatur auf dem Bildschirm auf, steuert der Drohnenpilot den Punkt exakt an. Je näher die Drohne kommt, desto genauer erkennt man, ob es sich auch um ein Kitz handelt. »Fliegen können wir bis circa 8.30 Uhr. Danach zeigt die Wärmebildkamera leider auch Steine und Maulwurfshügel an, die dann bereits durch die Sonne aufgeheizt wurden. Das sind dann einfach zu viele Fehlalarme«, erklären die Drohnenpiloten.

Wettlauf gegen die Zeit

Selbst Kitze, deren Mutter bei einem Wildunfall ums Leben kam, können mit ein bisschen Glück auf diese Weise aufgespürt werden. »Unsere Drohnenpiloten arbeiten mit vollem Einsatz und auf ehrenamtlicher Basis. Deswegen freuen wir uns über jede Spende, die es uns ermöglicht, in unsere Ausrüstung zu investieren und so die Kitzrettung im Landkreis weiter auszubauen«, sagt Kreisjägermeister Martin Balz. Die Kitzrettung ist nicht nur ein Beitrag zum Tierschutz, sondern auch zur Futtermittelsicherheit. Kadaver sind im Silagefutter für Nutztiere ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Bei der Verwesung unter Luftabschluss entstehen Giftstoffe, die beispielsweise die tödliche Krankheit Botulismus verursachen. Dabei handelt es sich um eines der gefährlichsten natürlichen Gifte, für die auch Rinder und andere Pflanzenfresser empfänglich sind. (pm)