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Aktuell Geschichte

Blick ins Gedächtnis der Stadt Gammertingen

Im Gammertinger Stadtarchiv gibt es 600 Jahre alte Akten und vieles mehr zu entdecken

Edwin Ernst Weber, Kreisarchivdirektor in Sigmaringen (rechts), und Gammertingens Bürgermeister Holger Jerg.  FOTO: WURSTER
Edwin Ernst Weber, Kreisarchivdirektor in Sigmaringen (rechts), und Gammertingens Bürgermeister Holger Jerg. Foto: Steffen Wurster
Edwin Ernst Weber, Kreisarchivdirektor in Sigmaringen (rechts), und Gammertingens Bürgermeister Holger Jerg.
Foto: Steffen Wurster

GAMMERTINGEN. Archive, auch Stadtarchive, sind eine Spielwiese für Fachleute, vielleicht für Nerds, die sich gerne tief in eine ungewöhnliche Materie einarbeiten. Zuallererst sind Archive aber das Gedächtnis der Städte und Gemeinden.

Der Landkreis Sigmaringen und das Kreiskulturforum haben den Kulturschwerpunkt 2022 auf »Archive und Bibliotheken« gelegt. Kreisarchivdirektor Edwin Ernst Weber hat eine Veranstaltungsreihe mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den Archiven des Kreises auf die Beine gestellt.

Schusssichere Fenster

Das Archiv in Gammertingen hat sich gemausert. Lange Zeit waren Verträge, Schenkungen, Urkunden auf der Bühne des Rathauses mehr schlecht als recht untergebracht. Dann kam Stadtarchivar Manfred Tremmel und der Umzug ins Oberamt neben das Stadtmuseum. Vorher war dort die Polizei untergebracht: »Schusssichere Fenster, Waffenschränke – was will man mehr«, kommentierte das Bürgermeister Holger Jerg bei der Führung.

600 Jahre kommunale Überlieferung sind hier zu finden, das älteste Pergament, auf Tierhaut geschrieben, ist aus dem Jahr 1394.  Die Dokumente stammen aus den Archiven des Staates, des Adels, der Kirchen: »Es ist eine obrigkeitliche Sicht, der Bürger kommt fast nur als Untertan, oft als Delinquent vor«, schränkte Weber ein. Die bürgerliche, meist bäuerliche Sicht – Gammertingen war ein Handwerker- und Ackerbürgerstädtchen, ordnet Weber ein – war lange Zeit in den Dörfern zu finden, etwa in den Amtstruhen der Bürgermeister. Nicht alle haben die Zeitläufte überstanden, Brand, Wasser, Nagetiere haben unersetzliche Schriftstücke zerstört. Mittlerweile ist auch der Papierkrieg der Teilgemeinden in Tremmels kundige Hände übergegangen. Die Herrschaftswechsel von den Grafen zu Vehringen zur Familie von Speth, dann nach Zwiefalten, können in den Urkunden-Fundbüchern nachvollzogen werden.

Herrschaftliche Anweisungen

Einen Einblick in das Alltagsleben geben herrschaftliche Anweisungen: zum Frondienst, zum Mistfahren, zu Transportleistungen und zur Verpflegung. Über welche Steuern an Stadt, Kreis und Reich sich die alten Gammertinger ärgern mussten oder wann die Bürger aus der Untertänigkeit entlassen wurden. Und alle Ausgaben der vor langer Zeit eingestellten »Lauchert-Zeitung«.

Was gehört in ein Archiv? Zuerst alles, was rechtlich relevant ist, etwa Gerichtsurteile. Außerdem zivilrechtliche Belege wie Amts- oder Grundbücher. Und letztlich alles, was historisch interessant sein könnte. Darüber hinaus hütet Tremmel zwei ganz besondere Schätze: eine Sammlung der Maler Konstantin Hanner aus Gammertingen und Hermann Anton Bantle aus Straßberg. (GEA)