BAD URACH. Die Mitglieder der Bürgerinitiative »Pro Ermstalklinik« sorgen sich weiterhin um die Zukunft des Krankenhauses in Bad Urach. Sie befürchten eine Umstrukturierung des Hauses mit Ausbau der Geriatrie und Aufgabe der Grundversorgung. Argumente für den Erhalt der Klinik lieferte jetzt der Internist, Gastroenterologe, Diplom-Biochemiker und ehemaliger Chefarzt in Öhringen, Dr. Rainer Hoffmann, die er vor über 80 Zuhörern im Historischen Sitzungssaal des Rathauses in Urach darlegte.
Hofmann ist ein Verfechter kleiner Kliniken und sieht in der Schließung solcher Häuser und der damit verbundenen Konzentration auf große Krankenhäuser große Risiken. In Urach sprach der von einem »Abbau des Gesundheitssystems«. Zwischen 2000 und 2017 seien in der Bundesrepublik 13,4 Prozent der Krankenhäuser und 31 Prozent der Betten verschwunden, während sich gleichzeitig die Zahl der Patienten vergrößerte, sagte der Arzt. Die Folge sei eine enorme Arbeitsverdichtung für das Personal der jeweiligen Häuser.
Gerade im ländlichen Raum sei aber die Erreichbarkeit der Klinik im Notfall, aber auch für Besucher, die kein eigenes Auto haben, notwendig. Hofmann zählte eine ganze Reihe von Vorteilen ländlicher Krankenhäuser auf: zum Beispiel die Notfallversorgung mit funktionierendem Rettungsdienst. Er bezeichnete solche Krankenhäuser zudem als »Hausarzt-Schmieden«. Allgemeinmediziner ließen sich gerne in den Städten nieder, die sie als Assistenzärzte im Krankenhaus kennengelernt haben. Das heißt, dass sich nach der Schließung dieser Häuser, so der Fachmann weiter, der Ärztemangel auf dem Land verstärken wird. Zudem verliere eine Stadt auch an Attraktivität.
Ökonomisierung der Kliniken
Problematisch sei auch die Krankenhaus-Struktur-Prämie des Bundes. Demnach müsse jede Klinik ökonomisch arbeiten. Der Patient dürfe nur wenig kosten. Folglich gebe es aus Sicht der Klinik »lukrative« und »nicht lukrative« Patienten. Dies führe zu Spezialisierung und Fließbandmedizin, erklärte Rainer Hoffmann weiter, wobei Großkliniken die Patienten übernähmen, die Geld bringen. »Sie wählen Patienten nach lukrativen Erkrankungen aus.« Werden dagegen die weniger rentablen Krankenhäuser abgebaut, so Hoffmann, blieben schwer kranke und multimorbide, also teure Patienten, auf der Strecke.
Alte, Kranke und Mitarbeiter seien die Leidtragenden, eine Region blute aus. Hoffmanns Fazit: Mit der Konzentration auf wenige große Kliniken nehme zwar die Qualität in wenigen Bereich zu, gesamt betrachtet aber ab. Benjamin Stein von der Gewerkschaft Verdi erklärte im Anschluss, dass das Problem der Ökonomisierung der Krankenhäuser von der Politik geschaffen worden sei.
Uthe Scheckel wies im Namen der Bürgerinitiative »Ermstalklinik« noch auf die nächsten Aktionen hin: Ende November ist ein Gespräch mit Landrat Thomas Reumann geplant, im Januar mit den niedergelassenen Ärzten in Bad Urach. (eg)