BAD URACH. Das Residenzschloss von Bad Urach ist eines der bekannten Wahrzeichen der Stadt und mit seinem Museum gleichzeitig ein Touristenziel. Dass es aber auch jahrhundertelang ein Wasserschloss in Urach gegeben hat, wissen nur wenige. Als in den 1990er-Jahren auf dem Hof der Wilhelmschule die alten Klassenzimmer abgerissen wurden, kamen massive Grundmauern zum Vorschein, die auf eine recht gut ausgebaute Stadtburg schließen ließen. Die Grafen von Urach hatten wohl im 11. Jahrhundert nicht nur auf dem naheliegenden Berg begonnen eine Höhenburg zu errichten, sondern zeitgleich auch eine Wohnburg in der Talsohle. Zu sehen ist die alte Stadtburg auf einem Bild, das der Familie Brendlin gewidmet ist und in der Amanduskirche hängt. Darüber hinaus existieren noch Pläne vom Bauwerk, die erst kurz vor seinem Abriss angefertigt worden waren.
Dicke Mauern und Wassergraben
Eine genaue Datierung für die Entstehung des Wasserschlosses fehlt bis zum heutigen Tag. Historiker gehen aber davon aus, dass Baubeginn wohl im 11. Jahrhundert war. Also in einer Zeit, in der sich in Urach ein Grafengeschlecht etablierte und auf einem Bergsporn eine Burg erbauen ließ, den Hohenurach. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde im Tal eine Burg erbaut, die nach heutigen Erkenntnissen von einem künstlich angelegten Wassergraben umgeben war. Das genaue Aussehen des Gebäudes in dieser Epoche ist nicht bekannt, da die älteste Darstellung aus dem Jahr 1569 stammt. Welche Umbauten es bis dahin schon gegeben hatte, lässt sich nicht erschließen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass das Gebäude immer wieder den jeweiligen Anforderungen angepasst wurde.
Auf den bereits erwähnten Grundrissen ist jedenfalls ein Erdgeschoss zu erkennen, das mit seinen dicken Mauern auch als Befestigungsanlage diente.
Einen letzten Höhepunkt in seiner Existenz erlebte das alte Schloss in Urach im Jahr 1380, als im Oktober Graf Eberhard III. von Württemberg und Antonia Visconti aus Mailand hier ihre Hochzeit feierten. Die ausgesprochen reiche Braut brachte eine Mitgift von 70 000 Gulden über die Alpen. Das entspräche in heutigem Wert umgerechnet etwa 52 Millionen Euro. Geld, das man im Hause Württemberg nicht nur gerne sah, sondern auch dringend benötigte. Der überaus große Geldsegen ermöglichte es Graf Eberhard III. gleich neben dem alten Schloss ein neues Gebäude bauen zu lassen. Ende des 14. Jahrhunderts war es soweit – das neue Schloss war bezugsfertig. Das alte Gebäude wurde zwar noch genutzt, verlor neben dem neuen und repräsentativeren Gebäude aber immer mehr an Bedeutung.
Im Jahr 1442 richtete Graf Ludwig von Württemberg die Residenz für seinen Landesteil in den Uracher Schlössern ein. Beide Gebäude waren mittels eines zweistöckigen Ganges miteinander verbunden. Ungefähr 100 Jahre später ließ Herzog Ulrich das neue Schloss um einen Anbau erweitern, der die bessere Nutzung des Gebäudes ermöglichte. Das alte Schloss diente dann nur noch untergeordneten Zwecken und wurde zusehends vernachlässigt. Sogar als baufällig eingestuft wurde es schließlich im 18. Jahrhundert, als Herzog Carl Eugen von Württemberg Urach des Öfteren besuchte. Dieser verkaufte es schließlich im Oktober 1764 für 1500 Gulden an den Leinwandfabrikanten Johann Christoph Hand. Der Verbindungstrakt zwischen dem Alten und dem neuen Schloss wurde daraufhin abgerissen.
Fußböden herausgerissen
Viel Glück brachte den neuen Besitzern das ehemals herrschaftliche Gebäude allerdings nicht. Der Sohn Johann Christophs, Johann David Hand, war bereits in den 1780er-Jahren nahezu bankrott und wollte das Gebäude wieder verkaufen. Es sei laut Johann David Hand »sehr presthaft und baufällig«, und weise auch etliche Sprünge im Gemäuer auf. Bei näherem Besehen fiel dem Landbaumeister Johann Adam Groß d. J. auf, dass Hand über die Jahre hinweg Bauelemente wie Türen, Fensterrahmen und Balken entfernt hatte, um sie zu verkaufen. Holzriegel, Fußböden und sogar Teile der Dachkonstruktion hatte er dagegen herausgerissen, um sich zu einer warmen Stube zu verhelfen.
Nach damaligen Maßstäben war der Abbruch des alten Wasserschlosses vermutlich alternativlos, zumal Herzog Carl Eugen die so gewonnene Fläche zur Verwirklichung seiner Gartenträume dringend benötigte. Im Frühling 1790 war es schließlich soweit: Das alte Gemäuer wurde abgerissen und der trocken gelegte Schwanensee mit dem Bauschutt aufgefüllt.
Herzog Carl Eugen war es allerdings nicht mehr vergönnt, in einem Garten am Schloss zu flanieren. Er starb 1793 und die Pläne verschwanden in der Versenkung. Im Jahr 1802 vermerkt das königliche Cameral-Amt, dass der durch den Abbruch »gewonnene Platz aber oed und wüst liegen gelaßen worden.« (eb)