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So ging Homeschooling im Mittelalter: nur für die ganz oben

Unterricht daheim war in der Zeit von Graf Eberhard im Bart und Barbara Gonzaga ein Privileg des Adels

Eberhard im Bart, der erste Herzog von Württemberg.
Eberhard im Bart, der erste Herzog von Württemberg. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten
Eberhard im Bart, der erste Herzog von Württemberg.
Foto: Staatliche Schlösser und Gärten

BAD URACH. Mit dem modernen Begriff »Homeschooling« wird heutzutage etwas bezeichnet, das Eltern, Kinder und Lehrkräfte gleichermaßen vor große Herausforderungen stellt. Dabei ist die Idee vom Unterricht in den eigenen vier Wänden nicht neu. Im ausgehenden Mittelalter, dem Zeitalter des Uracher Schlossherrn Graf Eberhard im Bart und seiner Gemahlin Barbara Gonzaga von Mantua, war Homeschooling das große Privileg der Adligen, das sie von der breiten Masse des gemeinen Volkes abhob.

Im 15. Jahrhundert boten die deutschen Städte ihren Bewohnern ein breites Angebot an kirchlichen und weltlichen Bildungseinrichtungen – zumindest den Zahlungskräftigen unter ihnen. Denn eine allgemeine Schulpflicht gab es nicht, Schulgeld und fällige Naturalabgaben wie Brennholz konnten sich nur die Mitglieder der Oberschicht leisten. Diese schickten ihre Söhne, manchmal sogar auch die Töchter, meist ab dem siebten Lebensjahr in die Stifts-, Kloster- und Domschulen oder in ihre weltlichen Pendants, die Stadtschulen und Deutschen Schulen.

Es durfte auch durchaus so mancher Patriziersohn in den Genuss eines Privatlehrers gekommen sein, gänzlich undenkbar war der Besuch von öffentlichen Schulen jedoch für den Nachwuchs des Adels. Bis zu ihrem siebten Lebensjahr – der sogenannten Infantia – verbrachten die Söhne und Töchter in der Regel gemeinsam ihre Zeit in den eigens eingerichteten Kindergemächern und wurden von der Mutter, von Ammen und Kindsmägden betreut.

Eines der wenigen erhaltenen Bilder von Gräfin Barbara Gonzaga.  FOTOS: SSG
Eines der wenigen erhaltenen Bilder von Gräfin Barbara Gonzaga. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten
Eines der wenigen erhaltenen Bilder von Gräfin Barbara Gonzaga.
Foto: Staatliche Schlösser und Gärten

Mit Beginn der Puerita im Alter von etwa sieben Jahren zogen die Mädchen in das Frauenzimmer und wurden dort von der Mutter bis zu ihrer Verheiratung auf ihre spätere Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet. Die Söhne erhielten dagegen als künftige Herrscher eine sorgfältige Ausbildung durch einen adligen Hofmeister und einen gelehrten Präzeptor. Diese Privatlehrer kümmerten sich meist rund um die Uhr um ihren Schützling, schliefen auch bei ihm und kontrollierten sein Verhalten. Oftmals stellten sie für ihre Zöglinge treue Begleiter bis ins Erwachsenenleben hinein dar. Johannes Vergenhans, der Präzeptor von Graf Eberhard im Bart von Württemberg, war später nicht nur württembergischer Rat, sondern sollte auch der Gründungsrektor der Tübinger Universität werden.

Die Ausbildung der adligen Söhne umfasste sowohl religiöses als auch adliges Wissen, mussten sie doch ein christliches Gemeinwesen leiten und dabei jederzeit als gebildeter, weiser und moralisch einwandfreier Herrscher auftreten. Adliges Wissen setzte sich aus einer Vielzahl von Disziplinen zusammen, wozu Lesen, Schreiben, Latein, Herrschaftswissen, Musik und teilweise Fremdsprachen ebenso gehörten wie sportliche Übungen, darunter Reiten, Jagen, Schwimmen oder Fechten. Großen Wert wurde hier auch auf ein Verhalten gelegt, das dem späteren Rang entsprechen sollte. Korrekte Sprache, das Tragen angemessener Kleidung, aber auch Tanz wurden unterrichtet.

Internat für adlige Kinder

In einem gänzlich anderen Umfeld als ihr späterer Ehemann Eberhard wuchs Barbara Gonzaga von Mantua auf. Bereits ihre Eltern wurden an der berühmten und vorbildhaften, von Vittorino da Feltre gegründeten casa gioiosa in religiösem, aber vor allem humanistischem Wissen unterrichtet. Die casa gioiosa befand sich inmitten der riesigen Anlage des Palazzo Ducale in Mantua und war nicht nur Ausbildungsstätte der Gonzaga-Kinder, sondern diente auch als eine Art Internat für den Nachwuchs auswärtiger Adelshöfe und für arme Kinder aus der näheren Umgebung. Bis zu 70 nichtadlige Kinder wurden hier gemeinsam mit dem adligen Nachwuchs unterrichtet und mussten dabei lediglich zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie sollten sich anständig benehmen und Spaß am Lernen haben. (eg)

 

www.schloss-urach.de