BAD URACH. Junge und ältere Bad Uracher mit und ohne Migrationsgrund, aktiv im Interkulturellen Freundschaftsverein oder nicht: Mehrere Dutzend Frauen und Männer nahmen am Samstag an einem offenen Gedankenaustausch teil, weil ihnen das bislang in vielfältiger Form gepflegte internationale Miteinander in der Stadt wichtig ist. Trotz des intensiven Zusammenseins über die Kulturen hinweg machen sich nach dem Anschlag in Hanau und des zu beobachtenden Rechtsrucks in der Gesellschaft auch in der vermeintlichen Idylle Nervosität und Angst breit.
»Wir lassen uns nicht spalten, wir sind alle Uracher«
Sie wollten ein Zeichen der Solidarität setzen, denn so Initiatorin Susanne Sauer vom Interkulturellen Freundschaftsverein: »Wir lassen uns nicht spalten, wir sind alle Uracher.«
Immer wieder blieben auch zufällig vorbeikommende Passanten stehen. Christa Fiedler dagegen hatte sich bewusst zur Solidaritätsveranstaltung in die Innenstadt aufgemacht: »Ich hatte während meines ganzen Lebens nur Frieden und bin in Freiheit aufgewachsen, das sollen meine Kinder und Enkel auch so erleben«, erklärt die Seniorin. »Ich denke, das ist gerade gefährdet.«
Schon lange beobachte sie eine Entwicklung nach rechts, meinte Bedriye Caliskan: »Das macht mich traurig.« Denn aus der Historie wisse man, wie schnell Nazis über die schweigende Mehrheit überhand gewinnen könnten. Bis die Gesellschaft aufwache, sei es unter Umständen zu spät.
Es dürfe laut Johanna Kugele nie wieder passieren, dass die Angst bis in die Familien hineinreiche. Die Spalter würden, so Walter Kugeles Ansicht, durch den politischen Arm der AfD salonfähig gemacht: »Man muss sich bewusst sein, welche Ziele diese Partei verfolgt«, mahnte er.
»Wir wollen, dass sich niemand verängstigt fühlt«, begründete Helga Isert-Brucker ihre Teilnahme. »Wir leben alle zusammen in einer Stadt, mögen uns und erleben das Gemeinsame als Bereicherung.« Das gelte es immer wieder deutlich zu machen und jeder Einzelne könne dazu beitragen – so die allgemeine Ansicht an diesem Samstag: durch Begegnung und Kommunikation, Teilnahme an den Wahlen und Meinungsäußerung wie auf dem Marktplatz.
»Woher kommt dieser Hass und warum wird er immer größer?«
Noch fühle er sich in Bad Urach wohl und sicher, machte Sahin Subasi deutlich. Doch wie lange noch, fragte sich sein Sohn Fatih.
Er sei etwa im gleichen Alter wie die meisten Hanau-Opfer: »Uns betrifft das sehr stark«, machte er deutlich. Er sei in Bad Urach geboren und aufgewachsen, pflege Freundschaften zu vielen Jungs aus den unterschiedlichsten Ländern und auch Deutschen: »Es ist sehr schwer zu verstehen, wie man andere Menschen ausgrenzen kann.« Eine Frage beschäftige ihn deshalb die ganze Zeit: »Woher kommt denn dieser Hass und warum wird er immer größer?« Eine Mitverantwortung schreibt er auch den angeblich sozialen Medien zu. (GEA)