Die »ökologische Transformation« forderte Özdemir, aber »sozial gerecht«. Mehr staatliche Investitionen in Schulen und öffentliche Verkehrsmittel. Eine »verantwortungsvolle europäische Außenpolitik, die mit einer Stimme spricht«. Anlass der Mahnung ist zwar das Afghanistan-Debakel. Aber Özdemir spricht auch aus eigener Erfahrung: »Rechtsradikale und Erdogan sind nicht meine Freunde«, sagt der Gastarbeiter-Sohn mit türkischen Wurzeln. Auch auf dem Uracher Marktplatz wird er – wie bei allen öffentlichen Auftritten – von Beamten des Landeskriminalamts beschützt. Das hinterlässt Spuren: »Wir haben das Privileg, in einer Demokratie zu leben«, betont Özdemir und erntet Applaus.
Seitenhiebe gegen die politische Konkurrenz
Beifall gibt es auch für Sätze wie: »Die Unterschiede zwischen den demokratischen Parteien sind kleiner als der Unterschied zwischen uns und der AfD oder anderen Fanatikern.« Oder: »Ministerposten sollten nach Qualifikation vergeben werden und nicht nach Parteiproporz.« Solche Seitenhiebe gegen die politische Konkurrenz kommen an, doch viel differenzierter wird es nicht. Ins Detail geht Özdemir nur bei der Klimapolitik: Kohle-Ausstieg bis 2030, Tempolimit 130 auf Autobahnen, zwei Prozent Fläche für Windkraftanlagen an Land.
Der »anatolische Schwabe« – wie Özdemir sich selbst augenzwinkernd nennt – tourt gerade auf dem »Cem-Trail« durch seine Heimatregion. Nach Bad Urach hat ihn die Reutlinger Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke eingeladen. Als Polit-Promi – Spitzenkandidat der baden-württembergischen Grünen und langjähriger Bundesparteichef – unterstützt er ihren Wahlkampf um den Wiedereinzug ins Berliner Parlament. Nach einer knappen Stunde im Regen endet das Uracher »Heimspiel« dann auch mit dem Appell: »Gehen Sie wählen!« Wen, dürfte klar sein: »Wir haben das Pech, dass in Berlin die Große Koalition regiert«, beklagt Özdemir. »Aber wir werden das ändern.« (GEA)