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Aktuell Kunst

»Einer wie Mozart oder Brahms«

Das Museum Würth in Künzelsau würdigt HAP Grieshaber derzeit mit einer großen Ausstellung

Ein Teil der Blätter aus HAP Grieshabers »Totentanz von Basel« in der Ausstellung im Kunstmuseum Künzelsau im Dezember 2017. FOT
Ein Teil der Blätter aus HAP Grieshabers »Totentanz von Basel« in der Ausstellung im Kunstmuseum Künzelsau im Dezember 2017. FOTO: PFEIFFER
Ein Teil der Blätter aus HAP Grieshabers »Totentanz von Basel« in der Ausstellung im Kunstmuseum Künzelsau im Dezember 2017. FOTO: PFEIFFER

KÜNZELSAU. Der weltweite Handel mit Befestigungs- und Montagematerial bildet das Kerngeschäft der Würth-Gruppe. Eingebunden sind in die Unternehmensphilosophie Kunst und Kultur in großer Breite: Am Stammsitz in Künzelsau befindet sich das 1991 gegründete Mu seum Würth, dem zehn Jahre später die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall folgte.

Über die Landesgrenzen hinaus integrierte der Konzern seit 1999 sukzessiv Künstlerdependancen in seine europäischen Gesellschaften in Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Spanien und der Schweiz. Die dortigen Ausstellungen gelten, so wird kommuniziert, als »integrierendes Neben- und Miteinander von Kunst und geschäftlichem Alltag«. Sie greifen auf die heute über 17 000 Werke umfassende Sammlung zurück, die der Unternehmer Reinhold Würth seit den 1960er-Jahren aufbaute: Moderne und zeitgenössische Kunst, ergänzt mit spätmittelalterlicher Malerei und Skulptur.

Ein Superlativ geht auf den 18. Juli 2017 zurück: An diesem Tag wurde das 60 Millionen teure Carmen-Würth-Forum in Künzelsau-Gaisbach nach den Plänen des Stararchitekten David Chipperfield eingeweiht. Ein Geschenk von Reinhold Würth an seine Ehefrau Carmen zu deren 80. Geburtstag. Als Kongress- und Kulturzentrum für 2 500 Besucher mit angegliedertem Museum ist es konzipiert; Letzteres wurde zunächst zurückgestellt.

Andrang bei der Eröffnung

Die aktuelle Ausstellung im Museum Würth Künzelsau gibt sich vom Titel her bescheiden: »HAP Grieshaber und der Holzschnitt«. Zur Auswahl standen aus der Sammlung Würth rund 100 Arbeiten von Grieshaber, ergänzt mit etwa 50 Werken von Leihgebern. Auch das Reutlinger Städtische Kunstmuseum steuerte einige Frühdrucke der 1930er-Jahre bei.

Bereits Ende 1999 gab’s anlässlich des zehnjährigen Bestehens in dem kleinen Künzelsauer Museum Hirschwirtscheuer – ebenfalls ein Projekt der Würth GmbH – eine Jubiläumsausstellung mit Holzschnitten der Sammlung Würth. Welchen Stellenwert jedoch die Ausstellung diesmal einnimmt, unterstrichen die ins Hohenlohische angereisten 650 Besucher. Für den Kunstsammler und -mäzen Reinhold Würth bei der Vernissage wesentlich mehr Gäste, als »wenn es um irgendwelche hochmoderne und avantgardistische Ausstellungen geht«.

Reinhold Würth hat sich mit dem Werk des Holzschneiders umgeben. Sowohl in seinem ehemaligen Büro und in seiner Wohnung hängen Bilder von Grieshaber – »eine Art Kunst, die uns Menschen einfach anspricht«. Und als zum Auftakt das Streicherensemble der Würth Philharmoniker Mozart intoniert und zum Abschluss Johann Sebastian Bachs »Air« auf dem Programm stand, überraschte der kunstsinnige Vorsitzende des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe mit der Gegenüberstellung: »Grieshaber ist einfach wie Mozart, Brahms oder Schubert.« Die Ausstellung im Kunstmuseum Würth gewinnt durch die Art der Präsentation: Der 40-teilige »Totentanz von Basel« von 1966 nimmt dicht an dicht aneinandergereiht allein eine ganze Wand ein. Ganz ähnlich die zehn Gouachen zu »Selbstbildnis im Spiegel«, wovon zwei 1970 im Prachtband des Fotografen Paul Swiridoff »die holzwege des hap grieshaber« erschienen.

Fotograf Paul Swiridoff

Der 2002 verstorbene Fotograf war mit Reinhold Würth freundschaftlich verbunden. Er trug durch seine jahrelange Zusammenarbeit mit Grieshaber wesentlich dazu bei, dass das Schaffen des druckgrafisch ausgerichteten Künstlers in Künzelsau Beachtung fand. Eine Reihe von Exponaten erinnert an die in den 1960er-Jahren auf der Achalm entstandenen Fotos. Übrigens trägt auch der 1999 gegründete Verlag Paul Swiridoff der Würth-Gruppe den Namen des einst in Schwäbisch Hall lebenden Fotografen.

Die Ausstellung zeigt Grieshaber querbeet. Klassiker wie »Figurensträuße« (1971), »Carl Orff: Carmina Burana« (1965), »Der Kreuzweg der Versöhnung« (1969), Folgen der Zeitschrift »Engel der Geschichte«, der legendäre »Osterritt« (1964); Bücher wie »Die raue Alb« (1968), »Pablo Neruda: Die Höhen von Macchu Picchu« (1965); Plakate, Malbriefe. Von Leihgebern sind vorwiegend Entwürfe und Drucke der 1950er-Jahre vertreten.

Abstecher nach Reutlingen

Die vier Holzschnitte »Herbst der Wilhelmstraßenkrämer« bekamen durch Oliver Class bei seiner Einführungsrede eine zusätzliche Würdigung. Als er im Sommer den Auftrag übernahm, den Katalogtext zu verfassen, stand für ihn fest, eine Reise nach Reutlingen zu unternehmen. »Denn, das wird niemand bestreiten, Reutlingen ist unzweifelhaft der Ort, an dem die Künstlerpersönlichkeit HAP Grieshabers an seinem Werk in der ausgeprägten Individualität sichtbar wird.«

So spazierte der Kunstexperte durch die ladenumsäumte Straße, warf einen Blick zum Engel auf der Turmspitze der Marienkirche, erinnerte an den Sturmbock im Rathaus und bezeichnete das Kunstmuseum Spendhaus als »zentralen Erinnerungsort« für Grieshaber.

Der Reisende in Sachen Grieshaber macht auch einen Abstecher ins Café Sommer. Dort befindet sich an den Wänden eine Auswahl »bedeutender Blätter«. Um jedoch den Reutlingern einen weiteren PR-Effekt ins Gästebuch zu schreiben, meinte der Kunsthistoriker ganz ungezwungen: »Man bildet sich ein, wenn Wittenberg Martin-Luther-Stadt heißt, dass Reutlingen die Bezeichnung HAP-Grieshaber-Stadt trägt.« (GEA)