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Warum die NDR Satire-Show »extra 3« in Mössingen gedreht hat

Arbeitsverträge, die nur bis zu den Sommerferien laufen und bürokratische Hürden beim Antrag des Arbeitslosengeldes machten Lehrerin Claudia Jochen aus Mössingen wütend. Nun stand sie für die NDR Satire-Show vor der Kamera. So lief der Dreh.

MÖSSINGEN. Der Blick ins Wohnzimmer verrät, dass heute kein Tag wie jeder andere für Claudia Jochen ist. Neben Esstisch, Bücherregal und Katzenbaum steht im Wohnzimmer der Lehrerin aus Mössingen ein Kameramann mit einer fast einen Meter langen Filmkamera auf den Schultern. Außerdem drängen sich eine Redakteurin und ein Tonmann rund um den Esstisch in dem kleinen Raum. Mit energischen Schritten kommt Claudia Jochen aus dem Flur ins Wohnzimmer gelaufen und setzt sich an den Tisch, auf dem ein Dutzend Schreiben vom Arbeitsamt liegen und auf dem auch ihr Laptop steht. Dieser ist mit dem vielsagenden Aufkleber »Scheißverein« verziert.

Keine Scheu vor der Kamera

Mit genervtem Blick schaut Jochen in Richtung Kameramann und lässt ihren Frust raus: »Dieses mal bekomme ich gar nichts«, sagt sie mit ironischem Unterton. Gemeint ist das Arbeitslosengeld, das die 45-Jährige nun zum zweiten Mal in den Sommerferien beantragen musste, weil das Land Jochen mit Jahresverträgen ausstattet, die nur bis zum Beginn der langen Ferien reichen. Um am Ende knapp 600 Euro zu bekommen, muss Jochen immer einen Bürokratiekampf auf sich nehmen.

Nachdem sie sich auch in diesem Jahr stundenlang mit Mitarbeitern des Arbeitsamtes herumschlagen musste, schrieb sie schließlich voller Wut an die NDR Polit- und Satireshow »extra 3«. Die Zusage von Redakteurin Martina Hauschild kam bereits am nächsten Tag. »Geil, habe ich da gedacht«, sagt Jochen. Selbstbewusst steht die 45-Jährige jetzt vor der Kamera. Nur ab und zu schweift ihr Blick gedankenverloren ab. Prompt gibt es einen Hinweis von Hauschild: »Ruhig die ganze Zeit zu uns schauen.« Nach der Anweisung läuft es dann rund, denn introvertiert ist Jochen nicht. Fast wie von selbst sprudeln die Worte aus dem Mund der Lehrerin, die zuvor als als freie Journalistin ihr Geld verdient hat. Seit 2019 arbeitet sie an einer Mössinger Schule.

Die erste Szene am Küchentisch ist nach einigen Minuten im Kasten – es läuft. Dann geht es vor die Haustüre in den kleinen Vorgarten. Jochen soll einen Brief vom Schulamt aus dem Briefkasten holen und vorlesen. Gesagt, getan. Aber Hauschild ist nicht zufrieden. »Das war schon gut, aber wir machen das nochmal«, heißt es. Und nochmal. Und nochmal. Worte, die Jochen im Verlauf des Tages noch öfter hören wird. Nach gut zehn Versuchen ist auch die Redakteurin zufrieden – fast: »Gut, aber ein bisschen overacted.« Okay – auch diese Kritik kann die Lehrerin schnell umsetzen.

Am Set sind alle per Du

Alle Beteiligten sind froh, dass die Einstellung nach knapp 30 Minuten im Kasten ist. In der TV-Ausstrahlung sind von der schweißtreibenden Szene dann nur noch zehn Sekunden zu sehen. In den Drehpausen ist die Stimmung locker. Am Ort des Geschehens sind alle per Du. Auch der ein oder andere Witz wird erzählt. Bei Gesprächen entstehen neue Ideen.

Für den Abschluss des Drehs in Mössingen kommt das Team so auf den Gedanken, Jochen auf eine Hollywoodschaukel unter einen großen Baum im Garten zu setzen. »Schließlich hast du ja jetzt Ferien und kannst die Füße hochlegen«, scherzt Hauschild. Für wenige Sekunden im Video wird auch hier eine halbe Stunde gedreht. Mehrfach verspricht sich Jochen oder hat nicht das richtige Wort parat. »Du schaust in die Kamera und hast einfach nichts mehr im Kopf«, erzählt sie später vom anstrengenden Dreh und muss über sich selbst lachen. Das Ergebnis des Drehs, der sich vom Vormittag bis in den späten Nachmittag zieht, sind gut drei Minuten voller Ironie und Sarkasmus. Trotzdem wird die Ernsthaftigkeit des Anliegens deutlich.

Und wie fand Jochen selbst den Dreh? »Schwierig. Ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe.« Nicht damit gerechnet hätte sie zum Beispiel, dass es so viele Anweisungen gab und dass Hauschild »so konkrete Vorstellungen« davon hatte, was sie vor der Kamera tun soll. Ob sie nach dem Journalismus und ihrer Stelle als Lehrkraft nun auch öfter vor der Kamera steht? »Das weiß ich nicht«, sagt sie mit einem Augenzwinkern. (kil)