TÜBINGEN/ROTTENBURG. »Es ist längst zu einer Herzenssache geworden«, sagt Elke Seelmann über ihr Engagement für Gambia. »Dabei wusste ich anfangs nicht einmal genau, wo Gambia liegt«, gesteht sie. Ursprünglich wollte sie sich um einen der über 80 gambischen Flüchtlinge kümmern, als diese 2015 in Rottenburg untergebracht wurden. Nach einem Brand in einem der Wohncontainer der Afrikaner nahm die Rottenburgerin drei Gambier bei sich auf und begleitete dann ein Dutzend der jungen Männer durch Sprachkurse und Ausbildung. 15 ihrer Schützlinge haben dieses Jahr ihre Ausbildung abgeschlossen, sind jetzt Bäcker, Elektriker, Maler und Zimmermänner.
Bei Null angefangen
»Einige haben bei Null angefangen, konnten anfangs weder lesen noch schreiben«, erzählt sie. Einer von ihnen, Saikon Suwareh, ist jetzt Medizintechniker und spielt eine wichtige Rolle in einem Projekt, das Seelmann ins Leben gerufen hat. Besonders erschüttert hat die 55-Jährige, die seit 30 Jahren in der Geburtshilfe der Tübinger Uni-Frauenklinik arbeitet, nämlich die Situation des Gesundheitssystems in Gambia. »Dort gibt es kaum medizinische Geräte«, hat sie erfahren.
Mit einigen Helfern, darunter die Internistin Antonie Bäuerle vom Frickenhausener Arbeitskreis Integration, beschloss sie, eine Klinik in Banjul, der auf einer Insel an der Mündung des Gambia-Flusses in den Atlantik liegenden Hauptstadt Gambias, sowie ein Krankenhaus in Bansang zu unterstützen. Neben Aufrufen, ausrangiertes medizinisches Gerät zu spenden, schalteten die Helfer auch Anzeigen, in der Hoffnung zum Beispiel aus Praxis-Schließungen an Material für Afrika zu kommen.
Im vergangenen Jahr konnte die mittlerweile gut vernetzte elfköpfige Truppe bereits einige medizinische Hilfsmittel, darunter ein dringend benötigtes Ultraschall-Gerät, auf den Weg bringen: In einem Container nach Afrika war noch Platz, den sie sofort nutzten. Bäuerle hat das Krankenhaus dort inzwischen schon zweimal besucht und die Not mit eigenen Augen gesehen. Eine Landarztpraxis, die sie gezeigt bekam, glich eher einem Viehstall, stellte die Ärztin entsetzt fest.
Die Ausstattung in den Krankenhäusern in Gambia, einem der ärmsten Länder Afrikas, ist generell inkomplett und häufig nicht funktionstüchtig. Reparaturen sind nicht möglich, weil Ersatzteile oder die finanziellen Mittel dafür nicht zur Verfügung stehen. Außerdem fehlt es an qualifiziertem und geschultem Personal, um vorhandene Geräte instand zu halten.
Wegen Corona verschoben
Instrumente, Inkubatoren, Wiegebettchen, Monitore und Kreißbetten der Tübinger Uniklinik, sechs weitere Ultraschallgeräte, Rollstühle, eine komplette Zahnarzt-Ausstattung sowie etliche Koffer voller Verbandsmaterial aus mehreren anderen Krankenhäusern und Sponsoren aus der Region sollten eigentlich in einem eigenen Container im März schon auf die Reise gehen: erst per Bahn nach Hamburg, dann mit dem Schiff nach Afrika. Doch Corona verhinderte das.
Nun gibt es einen neuen Termin: Heute, Mittwoch, wird die Liste des gespendeten Materials, das die Uniklinik mit einem Transporter ihres Fuhrparks zur Lagerung in die Frickenhausener Kelter gebracht hatte, geschlossen. Mitte Oktober soll der Abtransport des zwölf Meter langen Containers über das Service-Unternehmen für Entwicklungsinitiativen »Engagement Global« starten. Die Kosten dafür liegen bei 10 000 Euro. Sie werden durch Spenden finanziert, auf die die Helfer dringend angewiesen sind, betont Seelmann. Ende November soll der Container die gambische Hauptstadt erreichen.
Während das Projekt bisher unter dem Dach des Nürtinger Kulturvereins Namel lief, hat es sich jetzt dem Verein Allianz für Entwicklungsinitiativen für Gambia (AEI) angeschlossen und ein eigenes Büro in Banjul eröffnet. Es sei wichtig, ein Konzept und eine Anlaufstelle vor Ort zu haben, sind sich Seelmann und Bäuerle einig. Über eine Whats-App-Gruppe sind alle Beteiligten ständig in Kontakt.
AEI unterstützt Initiativen, die dazu dienen, »Hilfe zur Selbsthilfe« in Gambia zu organisieren. Die Allianz will unter anderem »ein nachhaltiges und sich selbst tragendes System medizintechnischer Versorgung in gambischen Gesundheitseinrichtungen als eine Voraussetzung für eine bessere gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung« installieren. Der Fokus liege in der Errichtung eines verlässlich und strategisch funktionierenden Medizintechniksystems, das den medizinischen Bedarf in Gambia erhebt und mit deutscher Unterstützung umsetzt. (GEA)
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