TÜBINGEN. Es gibt Antikörper, die das Immunsystem im Kampf gegen Krebs unterstützen und stärken. Die Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) sind solche Antikörper. Seit die ICI für die Behandlung von fortgeschrittenem schwarzem Hautkrebs erlaubt sind, hat sich die Zehn-Jahres-Überlebensrate von Patientinnen und Patienten mehr als verdoppelt. Nicht nur inoperable Metastasen – also wenn der Krebs bereits gestreut hat – können damit behandelt werden. Seit wenigen Jahren werden die Antikörper auch nach der operativen Entfernung von Hochrisiko-Melanomen oder Metastasen angewendet. Das Risiko, dass der Krebs zurückkommt, kann so vermindert werden.
Standardtest dauert länger
Doch die ICI haben Nebenwirkungen und können ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen. Denn die natürliche Bremse des Immunsystems wird gelöst, Immunzellen können dann auch das körpereigene Gewebe oder gesunde Organe angreifen. Da zudem nur etwa jeder zweite Patient auf die Therapie anspricht, ist es wichtig, möglichst früh zu erkennen, bei wem die Therapie wirkt und bei wem nicht.
Ob das Tumorgewebe auf die Therapie anspricht, wissen Ärztinnen und Ärzte daher erst etwa drei Monate nach Therapiebeginn. Parallel zur gängigen Diagnostik haben Forschende aus Tübingen deshalb in einer Studie ein neues Verfahren erprobt: Liquid Biopsy. Das ist ein Bluttest, mit dessen Hilfe im Körper zirkulierende Tumor-DNA erfasst und ausgewertet werden können. Routinemäßig wird die Liquid Biopsy bereits bei Brust- und Lungenkrebs durchgeführt. Beim schwarzen Hautkrebs wird das Verfahren derzeit nur in Einzelfällen angewendet und in der Routineversorgung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.
Der Clou: Im Gegensatz zu anderen Diagnoseformen ist sie deutlich kostengünstiger und kann mehrfach in kurzer Zeit wiederholt werden, zum Beispiel monatlich. »Bereits wenige Wochen nach Therapiebeginn mit ICI zeigt der Test, ob die Menge an Tumor-DNA im Blut zurückgeht oder zunimmt«, erklärt Andrea Forschner, Leiterin der Melanomambulanz an der Uni-Hautklinik Tübingen. Gemeinsam mit Christopher Schroeder vom Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik, hat Forschner in einer Studie untersucht, ob die Liquid Biopsy anzeigt, dass Patientinnen und Patienten auf die ICI ansprechen. »Wir wollten wissen, wie zuverlässig die Liquid Biopsie anzeigt, dass die Therapie wirkt – beziehungsweise Rezidive entdeckt werden können«, erklärt Forschner. Neue Analysemethoden, entwickelt in der Gruppe von Stephan Ossowski vom Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik, machen dabei die Identifikation geringster Mengen an Tumor-DNA im Blutplasma möglich. Damit könnte in Zukunft schnell herausgefunden werden, ob diese spezielle Antikörper-Therapie anspringt oder ob man doch lieber eine andere Behandlung wählt.
Die Hälfte der fortgeschritten metastasierten Patienten mit inoperablen Metastastasen lebt nach der Diagnose durch die ICI-Therapie noch länger als zehn Jahre. Mittlerweile gibt es einige Patientinnen und Patienten, bei denen sogar alle Metastasen verschwinden. (eg)