TÜBINGEN. Nach 22 Jahren als Landrat und zwölf Jahren als Präsident des baden-württembergischen Landkreistages hat Joachim Walter (CDU) seinen Rückzug von seinen Ämtern angekündigt. Offiziell hieß es aus seiner Behörde an der Tübinger Wilhelm-Keil-Straße: »Landrat Walter hat am Montag dieser Woche Regierungspräsident Klaus Tappeser gebeten, seinem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zum 30. September 2025 zu entsprechen.« Einen Tag vorher vollendet Walter sein 65. Lebensjahr. Seine Amtszeit wäre eigentlich noch bis zum Jahr 2027 gegangen.
Für seinen vorzeitigen Rückzug aus seinen Ämtern nannte Walter hauptsächlich gesundheitliche Gründe. In einem kurzen Statement hieß es: »Insbesondere die Krisen der letzten Jahre und deren Bewältigung kosteten viel Kraft, sodass er den Zeitpunkt für gekommen hält, sich künftig stärker als bisher seiner Gesundheit zu widmen.«
Walter will sich mehr um seine Gesundheit kümmern
Während seiner Amtszeit präsentierte Walter sich nicht nur als Verwaltungs- und Behördenchef, er agierte auch klar als Politiker und setzte Zeichen durch kontroverse Forderungen und Vorstöße. Zuletzt sorgte er vergangenen Sommer mit Vorschlägen zur Flüchtlingspolitik für Diskussionen. So schlug er unter anderem vor, dass Geflüchtete zur Arbeit verpflichtet werden sollten. Dazu gab es eine gemeinsame Resolution, die vom baden-württembergischen Landkreistag einstimmig verabschiedet wurde.
Walter sagte: »Landkreise in Baden-Württemberg fordern für Flüchtlinge eine Pflicht zu arbeiten - im Zweifel auch gemeinnützig. Es wäre uns Landkreisen - auch mit Blick auf die dringend benötigte gesellschaftliche Akzeptanz - wichtig, dass Geflüchtete rasch in Arbeit kommen, hilfsweise auch in gemeinnützige.« Er fügte hinzu: »Integration ist bekanntlich ein Langstreckenlauf, und wir stolpern auf den ersten Metern.«
Dafür bekam er breite Zustimmung nicht nur von allen Landrätinnen und Landräten in Baden-Württemberg, auch die Gemeinden im Land unterstützten Walter. So sagte Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags: »Der Staat muss erwarten dürfen, dass jeder Einzelne dann auch im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Gelingen der Gesellschaft beiträgt – beispielsweise auch über eine gemeinnützige Arbeit.«
Offene Kritik an Sozial-, Flüchtlings- und Gesundheitspolitik
Ebenfalls im vergangenen Sommer setzte Walter ein weiteres politisches Zeichen und stieg in die (bundesweite) Diskussion ums Bürgergeld ein. Bei Schwarzarbeit solle das Bürgergeld komplett gestrichen werden, statt es wie bislang vom Bund geplant nur zu kürzen, forderte er. Mit Blick auf die zahlreichen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die auch Bürgergeld erhalten, meinte er, deren Beschäftigungsquoten sei jämmerlich: »Im Kreis Tübingen sprechen wir von rund 10 Prozent, in Holland sind es mehr als 50 Prozent.« Mit Blick auf mangelnde Sprachkenntnisse ergänzte er folgendes Beispiel: »Warum sagen wir beispielsweise nicht dem Raumfahrtingenieur aus der Ukraine, es hilft ihm auch, wenn er dem Gastronomen in der Küche eine Zeit lang hilft und nebenbei Sprachkurse macht?«
Walter mischte sich auch in die Gesundheitspolitik des Bundes ein und kritisierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach offen für dessen Krankenhausreform: »Es ist illusorisch zu glauben, gute stationäre Versorgung ließe sich von Berlin aus am grünen Tisch planen.« Lauterbach habe es geschafft, »alle und jeden gegen sich aufzubringen«.
Walters Karriere begann in Freiburg
Als einer der ersten würdigte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer Walters Arbeit in den vergangenen 22 Jahren: »Auch gegenüber der Stadt war ein harter Verhandler, da haben wir so manchen Strauß ausgefochten, sind aber am Ende doch immer zusammen gekommen.«
Walter studierte Rechtswissenschaften in Freiburg. Nach einer Tätigkeit als Rechtsanwalt dort leitete er von 1991 bis 1994 das Bau- und Umweltamt und zeitweise auch das Rechts- und Ordnungsamt im Landratsamt des Zollernalbkreises. Von 1994 bis 1996 war Walter Referent für Bau-, Ausländer- und Immissionsschutzrecht im Regierungspräsidium Freiburg. Anschließend kehrte er zurück in den Zollernalbkreis, wo er bis 2003 Erster Landesbeamter war. Im selben Jahr war Walter zum Landrat des Landkreises Tübingen gewählt und 2011 sowie 2019 im Amt bestätigt worden. Von 2007 bis 2013 war er Vizepräsident, seit 2013 ist er Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg. 2014 wurde er zum Vizepräsidenten des Deutschen Landkreistags gewählt. (GEA)