KREIS TÜBINGEN. Eines der Themen, die den Bundestagswahlkampf maßgeblich bestimmen, ist die Rente, die in Deutschland auf drei Säulen basiert: die gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge. Alle Parteien sehen großen Handlungsbedarf in der Rentenpolitik, da sie in der bisherigen Form nicht mehr finanzierbar ist: Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Beitragsempfänger aufkommen. Seit einigen Jahren versucht die Regierung, das System der Alterssicherung an den demografischen Wandel anzupassen: Unter anderem wurde das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre erhöht. Darüber hinaus setzt die Politik verstärkt auf private und betriebliche Vorsorge, um nachfolgende Generationen zu entlasten.
Aktuell sind 21 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt, 2050 wird es ein Drittel sein. Um die Renten künftig finanzieren zu können, sollen auch Selbstständige künftig stärker in die gesetzliche Vorsorge einbezogen werden. 1990 lag das Rentenniveau noch bei 55 Prozent, zuletzt ist es auf 48,2 Prozent gesunken. Bei diesem Wert soll es nach der aktuellen Gesetzgebung bis 2025 bleiben, und auch der Beitragssatz soll bis 2025 die 20-Prozent-Marke nicht überschreiten. Derzeit liegt er bei 18,6 Prozent.
Wenn die heutigen Mittfünfziger bis Mittsechziger der »Baby-Boomer«-Jahrgänge in Rente gehen, entstehen jedoch große Lücken in der Kasse. Offiziellen Prognosen zufolge ist bis 2035 mit einer Beitragserhöhung bis auf 22,3 Prozent zu rechnen. Das Rentenniveau dürfte dann auf 44,1 Prozent sinken. Auch ein Eintrittsalter von 70 Jahren wird diskutiert.
Heftig kritisiert wird die Riester-Rente, eine private Altersvorsorge, die vom Staat mit jährlichen Zuschüssen gefördert wird, um Bürger zu animieren, selbstständig fürs Alter vorzusorgen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Rendite von Riester-Verträgen oft so schlecht ist wie beim Sparstrumpf. Schon jetzt sind drei Prozent der deutschen Rentner von Altersarmut betroffen und auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen. Ihr Anteil wird wohl weiter zunehmen. (GEA)
Annette Widmann-Mauz (CDU)
Die beste Rentenpolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik. Deshalb sind die Renten in den letzten zehn Jahren auch deutlich gestiegen. Als CDU stehen wir dafür ein, dass die Rentnerinnen und Rentner auch weiterhin verlässlich an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhaben. Denn die Rente ist nicht nur Einkommen, sondern Lohn für Lebensleistung. Wer hart gearbeitet und viel geleistet hat, verdient finanzielle Sicherheit im Alter.
Wir wollen ein Rentenrecht, das Generationengerechtigkeit sichert und nachhaltig, sicher und solide finanziert ist. Als Union behalten wir das Vorsorgeniveau im Auge und schützen die Beitragszahler vor Überforderung. Wir wollen, dass Erwerbsminderungsrentner beim Wechsel in die Altersrente besser gestellt werden und eine Doppelbesteuerung der Rente verhindern.
Die betriebliche Altersvorsorge wollen wir für Geringverdiener und beim Jobwechsel stärken und für alle Selbstständigen eine Altersvorsorgepflicht einführen. Wir setzen auch auf eine neue private, staatlich geförderte Altersvorsorge ohne Abschluss- und mit niedrigen Verwaltungskosten. Daneben wollen wir mit einer neuen Generationenrente eine kapitalgedeckte Altersvorsorge von Geburt an entwickeln.
Chris Kühn (Grüne)
Alle Menschen sollen im Alter ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen können. Bei der Rente hat für uns Grüne daher die dauerhafte Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung und insbesondere des gesetzlichen Rentenniveaus Priorität.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist – das haben die vergangenen Jahre gezeigt – kapitalgedeckten Formen der Altersvorsorge in weiten Teilen überlegen. Gesetzlich Versicherte genießen eine größere Sicherheit und können ihr Einkommen im Alter bereits frühzeitig abschätzen. Wer einen großen Teil seines Lebens gearbeitet, Kinder erzogen, andere Menschen gepflegt oder sonstige Anwartschaften in der Rentenversicherung erworben hat, muss eine Rente erhalten, die oberhalb der Grundsicherung liegt.
Die Grundrente wollen wir zur Garantierente ausbauen. So wirken wir Altersarmut entgegen. Die von der Koalition eingeführte Grundrente schützt Rentner nicht ausreichend vor Armut, weil die Zugangshürden zu hoch sind. Die Garantierente ist unkompliziert und vor allem zielgenau. Wer 30 Versicherungsjahre erreicht hat, soll nach heutigem Stand mindestens rund 1 000 Euro erhalten – über die gesetzliche Rentenversicherung und ohne Bedürftigkeitsprüfung.
Martin Rosemann (SPD)
Die Rente ist ein zentrales Versprechen unseres Sozialstaates. Sie muss auch in Zukunft verlässlich sein. Die tragende Säule der Alterssicherung ist die gesetzliche Rente. Gemäß dem Grundsatz »gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente«, sollen auch in Zukunft steigende Löhne, zukunftsfeste Arbeitsplätze sowie eine Arbeit, die zum Leben passt, für ein gutes Rentenniveau sorgen.
Die gesetzliche Rente wollen wir zu einer Erwerbstätigenversicherung ausbauen, der möglichst alle Erwerbstätigen angehören. Darüber hinaus brauchen wir Maßnahmen für die, die besonders vom Risiko der Altersarmut betroffen sind. Deshalb wollen wir die Erwerbsminderungsrente für diejenigen verbessern, die schon lange beziehungsweise befristet erwerbsgemindert sind.
Möglichst viele sollen fit und gesund das Rentenalter erreichen
können, daher stärken wir Prävention und Rehabilitation. Und mit der Grundrente sorgen wir schon jetzt dafür, dass langjährig Versicherte mit niedrigen Einkommen eine höhere Rente bekommen. Ergänzen wollen wir die gesetzliche Rente mit einer möglichst flächendeckenden, tarifvertraglich vereinbarten betrieblichen Altersversorgung, die deutlich mehr Beschäftigte, insbesondere auch Geringverdiener, erreicht.
Julian Grünke (FPD)
Es wurde verschlafen, die Rente frühzeitig auf die Alterung unserer Gesellschaft vorzubereiten. Deshalb laufen wir nahezu unvorbereitet auf den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge zu. Die Freien Demokraten wollen vom Schwedischen Rentensystem lernen und dort gut Funktionierendes bei uns einführen, um die Rente wieder Enkel-fit zu machen.
Dazu zählt die Flexibilisierung des Renteneintritts. Dieser soll ab dem 60. Lebensjahr möglich sein. Wer früher in Rente geht, erhält geringere, und wer später in Rente geht höhere Auszahlungen. Diese Flexibilität passt viel besser zu den individuellen Lebensläufen der Menschen. Zuverdienstgrenzen sollten abgeschafft werden, und auch Teilrenten sollen unkompliziert möglich werden.
Eine Aktienrente soll das umlagefinanzierte Rentensystem langfristig durch einen kapitalgedeckten Teil ergänzen. Dabei werden zwei Prozent des Bruttolohns in einen unabhängigen Fonds einbezahlt, der durch die lange Laufzeit und breite Streuung der Anlage risikoarm ist, aber den Aufbau von Eigentum als Altersvorsorge auch für Geringverdiener möglich macht. Schweden hat einen solchen Fonds schon seit Jahren und macht damit gute Erfahrungen.
Ingo Reetzke (AfD)
Bereits 1985 wurde in der FAZ täglich darauf hingewiesen, dass das Rentensystem zu reformieren sei, weil sonst in etwa 30 Jahren aufgrund des demografischen Faktors ein ernstes Rentenproblem entstehen könnte. Die Antwort des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm war eine Plakat-Aktion mit dem Slogan »Denn eins ist sicher: Die Rente«. Wohl wahr, wie das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat – allerdings nicht deren Höhe.
Als Kanzler Schröder seine Agenda 2010 vorstellte, war eine Rentenabsenkung auf 43 Prozent das Maß aller Dinge. Dass dies von hinten bis vorne nicht funktionieren kann, merken wir jetzt. Währungsumstellung und Teuerungsrate werden eine Generation von Armutsrentnern produzieren. Die AfD hat ein Rentenkonzept beschlossen, das auf steuerlicher und beruflicher Vorsorge beruht.
Ich persönlich halte auch das noch nicht für ausreichend. Vielleicht sollte man sich eher an Ländern wie Holland oder Österreich orientieren: Dort sind die durchschnittlichen Renten ungleich höher. Dies wird in Deutschland jedoch nicht in den nächsten fünf beziehungsweise vier Jahren geschehen können. Speziell dann nicht, wenn wieder die für die Misere Verantwortlichen in die Regierung gewählt werden.
Heike Hänsel (Linke)
Die gesetzliche Rente muss den Lebensstandard im Alter wieder sichern und wirksam vor Armut schützen. Die »Reformen« von SPD und Grünen führten dazu, dass die Unternehmen viel weniger in die Rentenkasse einzahlen als die Beschäftigten. Seitdem ist das Niveau der gesetzlichen Rente im Sinkflug. Wir wollen diese Entwicklung umkehren. Es reicht nicht, nur die weitere Absenkung zu stoppen. Das Rentenniveau von 53 Prozent muss sofort wieder hergestellt werden. Das wären fast 130 Euro mehr im Monat für einen »Standardrentner«. Dafür müssen alle Erwerbseinkommen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, auch Abgeordnete, Selbstständige, Beamte und Manager:innen.
Die Beitragsbemessungsgrenze muss fallen. Wir wollen eine solidarische Mindestrente von 1 200 Euro netto im Monat – darunter droht Armut. Sie ist einkommens- und vermögensgeprüft und wird bei Bedarf gezahlt. Wir wollen ab 65 abschlagsfrei in die Rente sowie mit 60 Jahren bei 40 Beitragsjahren. Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und Pflege müssen besser abgesichert werden. Für jedes Kind wollen wir drei Entgeltpunkte unabhängig vom Geburtsdatum. Bei der Erwerbsminderungsrente wollen wir die Abschläge streichen.