KUSTERDINGEN. Von diesem Andrang war Gemeindearchivar Manuel Mozer ebenso wie der veranstaltende Albverein Kusterdingen überrascht: Gut 100 Leute spazierten am Sonntagnachmittag durch den Ort und informierten sich über die Geschichte einiger Häuser und Straßen. In der Kusterdinger Tracht schwitzten als Farbtupfer bei Sonnenschein zwei Mitglieder der Trachtengruppe, gerade an den kleineren Anstiegen. Die Runde führte vom bekannten Klosterhof über größere Straßen und verwinkelte Gassen zurück zum gegenüber liegenden einstigen Waschhäusle. Das dient der Ortsgruppe inzwischen als Vereinsheim. Es wird gehegt und gepflegt und dort gab es zum gemütlichen Ausklang für die Teilnehmer Kaffee und Kuchen.
1850 große Raumnot
»Früher hatte in Kusterdingen jedes Haus eine Scheune«, sagte Mozer. Inzwischen gebe es in der »Auspendlergemeinde« viele moderne Gebäude und Mehrfamilienhäuser. Jedes abbruchgefährdete Gebäude wird von der Gemeinde untersucht, um das Alter zu bestimmen. Zuweilen erweist sich das als schwierig. So kann zum Beispiel das sogenannte 3. Gut der Reutlinger Spitalpflege in der Scherrgasse nicht genau datiert werden. Die Scheune wurde immer wieder repariert und ausgebessert mit Balken aus anderen Gebäuden. Welche die ursprünglichen waren, ist nicht klar. »Die Spitalpflege hat ihren Grundbesitz für ein Drittel der Ernte verpachtet«, erklärte Mozer. Damit versorgte sie zum einen Kranke und Alte, zum anderen verkaufte sie die Lebensmittel. Zum angrenzenden Doppelhaus gehörte jeweils eine Scheunenhälfte. »Bis 1739 betrieb Konrad Grauer dort den Ochsen als Gaststätte«, sagte Mozer. Wo genau, sei nicht bekannt, vermutlich allerdings in einer der oberen Stuben. 1850 sei die Raumnot in der Region groß gewesen. Damals lebten vier große Familien zusammen in dem großen Doppelhaus. Ab 1910 lebten dann Jung- und Altbauer nebeneinander. 1870 gab es im Erdgeschoss einen kleinen Krämerladen, in dem Rohöl, Zucker aus dem Fass und Saatgut verkauft wurden.
Beim Klosterhof, wohl einem der bekanntesten Altbauten Kusterdingens, hob Mozer die gut erhaltene und restaurierte Fassade heraus. Die Scheune links wurde 1697 gebaut, der Wohnteil rechts daneben kam 1733 hinzu. 1806 wurde noch einmal gebaut und ein Altenteil kam hinzu. »Im Dachgeschoss war ein Lagerplatz für Getreide und es gab Gästebetten«, sagte Mozer. Nach Jahrhunderten im Familienbesitz ging das Gebäude 1987 in Gemeindebesitz über. Seit 2004 wird es als Bürger- und Kulturraum für Feiern und Veranstaltungen genutzt.
Fachwerk wird verputzt
In der Lederstraße stehen einige um 1700 erbaute Häuser ebenso wie moderne Gebäude. Beim alten Rathaus erklärte Mozer den derzeit laufenden Umbau. Einst waren darin im Erdgeschoss Leiter, Löscheimer und Holz gelagert. Im 1. Stock befand sich der große Ratssaal. Dort tagte nicht nur der Gemeinderat, sondern es wurden auch Gerichtsverhandlungen geführt. Im einstigen kleinen Ratssaal, der vorwiegend im Winter ge-nutzt wurde, befinden sich heute das Bürgerbüro und Gemeindearchiv. Auf Nachfrage einer Teilnehmerin erklärte er, dass das Fachwerk verputzt wird. Das sehe möglicherweise nicht so schön aus wie bisher, halte aber länger. Auch um 1900 sei das Gebäude verputzt gewesen. (stb)