TÜBINGEN. Er packt gern handfest an. Oberbürgermeister Boris Palmer hat gestern Nachmittag selber zur Malerrolle gegriffen, um für das städtische Programm zu werben, mit dem Tübinger Bürger und Geschäftsleute Graffitti, Tags oder Schmierereien künftig unbürokratisch auf Kosten der Stadtkasse beseitigen lassen können.
Gemeinsam mit Musikschulleiter und Saxofonist Ingo Sadewasser übermalte er die Sprayerspuren an der zur Wilhelmstraße gelegenen Frontwand des baufälligen Pavillons für die Schlagzeuger der Musikschule. »Wir wollen, dass die hässlichen illegalen Schmierereien und Tags aus dem Stadtbild verschwinden. Wer Graffitis entfernen lässt, bekommt jetzt jeden Cent erstattet, und das ohne großen Aufwand«, hatte Palmer in seiner Einladung an die Presse geschrieben.
Für das Programm stehen in diesem Jahr noch rund 55 000 Euro zur Verfügung. Die Aktion soll zunächst bis Jahresende befristet sein und enden, sobald das Geld ausgeschöpft ist.
Für die Kostenersstattung genügt eine E-Mail an die Adresse "graffitibeseitigung@tuebingen.de" oder ein formloses Schreiben. "Foto vorher, Foto nachher, Malerrechnung", so fasste der Oberbürgermeister die nötigen Formalitäten bündig zusammen, bevor er die Malerrolle in den Farbeimer mit einem dunklen Ockerton tunkte und die Tags zügig zu überstreichen begann. Nach zehn Minuten war alles erledigt.
»Ganz einfach: Foto vorher, Foto nachher, Malerrechnung«
»Sie schrecken vor nichts zurück, und wir wollen versuchen, ihnen Einhalt zu gebieten«, hatte er zuvor über die Sprayer gesagt, denen er jeglichen künstlerischen Graffiti-Anspruuch rundweg absprach. »Das sind Tags oder Schmierereien, das soll aufhören. Wir wollen es nicht mehr sehen«, schimpfte er. An städtschen Gebäuden werde jede Schmiererei zur Anzeige gebracht, um den geschnappten Verursachern »eine Rechnung, die sich gewaschen hat« präsentieren zu können. Auf sechsstellige Beträge haben sich die jährlichen Schäden laut Palmer summiert.
Den Einwand von Marvin Daumüller, der sich der legalen Sprayer-Szene zurechnet, man müsse – »wie in Reutlingen« – Flächen zur Gestaltung zu Verfügung stellen, das funktioniere besser als mit Verboten und Verfolgung, beschied Boris Palmer: Das geschehe schon, verhindere aber die illegalen Auswüchse nicht.
Von drinnen ließ der unterrichtende Schlagzeuglehrer Walter Stegmaier den OB zu einer Besichtigung der maroden, feuchten und schimmeligen Räume einladen, die abgerissen werden sollen. Da sei das Geld besser aufgehoben als bei der Graffiti-Beseitgung. Doch der Rathaus-Chef winkte ab. Er kenne das Problem. (mab)