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Amerika-Gipfel erzielt Einigung über Migration

Millionen Migranten sind auf der Suche nach einem besseren Leben zwischen Süd- und Nordamerika unterwegs. Die Länder der Region wollen die legale Einwanderung erleichtern und härter gegen Schlepper vorgehen.

Amerika-Gipfel in Los Angeles
US-Präsident Joe Biden (M) war Gastgeber einer Klausurtagung des Amerika-Gipfels. Foto: Evan Vucci
US-Präsident Joe Biden (M) war Gastgeber einer Klausurtagung des Amerika-Gipfels.
Foto: Evan Vucci

Trotz der Anlaufschwierigkeiten wegen der Ausladung der autoritären Staaten Kuba, Venezuela und Nicaragua haben sich beim Amerika-Gipfel zahlreiche Länder der Region auf eine gemeinsame Erklärung zur Migration geeinigt.

»Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise und die politischen Unruhen in autoritären Ländern haben zu Rekordzahlen bei der Migration geführt«, sagte US-Präsident Joe Biden auf dem Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Los Angeles. »Keine Nation sollte diese Verantwortung allein tragen«.

Die »Deklaration von Los Angeles« galt als größter Erfolg bei dem dreitägigen Treffen in Kalifornien. Angesichts der großen Migrationsbewegungen zwischen Süd-, Mittel- und Nordamerika sowie der Karibik wollen die Staaten künftig enger zusammenarbeiten. Ziel der gemeinsamen Erklärung ist es, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern, legale Arbeitsmigration zu erleichtern und den Kampf gegen Schlepperbanden zu verstärken.

»Eine sichere, geordnete und legale Migration ist gut für alle unsere Volkswirtschaften«, sagte Biden. »Aber ein großer Teil der Migration ist nicht akzeptabel. Durch koordinierte Aktionen mit unseren regionalen Partnern werden wir unsere Grenzen schützen.« Wegen der zahlreichen Migranten aus Lateinamerika an der Südgrenze der Vereinigten Staaten steht Biden auch innenpolitisch unter Druck.

Suche nach Asyl in Mexiko, Kolumbien und Ecuador

Zwar wollen viele Migranten in die USA, andere Länder haben aber eine ungleich größere Last zu tragen. Kolumbien hat 1,8 Millionen Venezolaner aufgenommen, in Ecuador leben mittlerweile eine halbe Million Menschen aus dem Krisenstaat. In Mexiko stellten im vergangenen Jahr 131.000 Menschen einen Asylantrag, 220 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit ist Mexiko weltweit das Land mit den drittmeisten Asylsuchenden.

Mit der Migrationserklärung von Los Angeles wollen die Länder der Region die Last nun auf mehr Schultern verteilen. Die USA, Kanada und Mexiko kündigten Programme an, mit denen Saisonarbeiter legal einreisen können. Die Vereinigten Staaten versprachen, 20.000 Flüchtlinge aufzunehmen und die Familienzusammenführung für Migranten aus Kuba und Haiti zu erleichtern.

Kolumbien und Ecuador wollen den zahlreichen Migranten aus Venezuela Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen gewähren, Costa Rica sagte den Nicaraguanern im Land ähnliches zu. Die US-Regierung gab 314 Millionen US-Dollar für humanitäre Hilfe und Entwicklungsprojekte in jenen Ländern frei, die besonders viele Migranten aufgenommen haben. Gleichzeitig soll der Kampf gegen kriminelle Organisationen verschärft werden, die vom Elend der Migranten profitieren und sie für horrende Summen in die USA bringen.

»Die Erklärung von Los Angeles und die angekündigten Initiativen sind ermutigende Schritte hin zu einem besseren Schutz von Menschen in der Region, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen«, sagte Rachel Schmidtke von der Organisation Refugees International. »Jetzt müssen die Staats- und Regierungschefs diese Verpflichtungen in konkrete Ergebnisse für die Vertriebenen umsetzen.«

Streit um Umgang mit Kuba

Wegen Gewalt und Armut verlassen in der Region viele Menschen ihre Heimat und suchen anderswo bessere Lebensbedingungen. Etwa sechs Millionen haben allein das Krisenland Venezuela verlassen und sich vor allem im benachbarten Kolumbien und anderen Staaten Südamerikas niedergelassen. Aus Mittelamerika machen sich jedes Jahr Hunderttausende Menschen auf den Weg in die USA.

Überschattet wurde der Gipfel vom Streit um die Ausladung der autoritären Präsidenten von Kuba, Venezuela und Nicaragua. Mehrere Staatschefs in der Region solidarisierten sich mit den Ausgeladenen und boykottierten das Treffen. Auch in Los Angeles musste sich US-Präsident Biden Kritik an seiner Entscheidung anhören. »Ich bedauere, dass heute nicht alle da sind, die hier sein sollten«, sagte Argentiniens Präsident Alberto Fernández. »Wir hätten uns einen anderen Amerika-Gipfel gewünscht: Das Schweigen der Abwesenden klagt uns an.«

Biden wollte das Treffen dazu nutzen, den Beziehungen zwischen Nord-, Mittel- und Südamerika sowie der Karibik einen neuen Impuls zu geben. Angesichts der immer stärkeren Präsenz Chinas in der Region bemühte sich die US-Regierung, den Nachbarn im Süden konkrete Angebote zu machen. So kündigte das Weiße Haus Investitionen in die Ausbildung von Ärzten und Pflegern in der Region an. Über eine »Amerikanische Partnerschaft für wirtschaftlichen Wohlstand« wollen die USA die Lieferketten stärken, Investitionen vereinfachen und Jobs im Bereich der erneuerbaren Energien schaffen.

»Es gibt keinen Grund, warum die westliche Hemisphäre nicht die zukunftsorientierteste, demokratischste, wohlhabendste, friedlichste und sicherste Region der Welt sein kann«, sagte Biden. »Wir haben ein unbegrenztes Potenzial. Wir verfügen über enorme Ressourcen und einen demokratischen Geist, der für Freiheit und Chancen für alle steht.«

Was aus den hehren Vorsätzen wird, muss sich nun zeigen. »Bei Gipfeltreffen geht es letzten Endes hauptsächlich um Rhetorik. Um wirklich etwas für eine sicherere Migration, stärkere Gesundheitssysteme und mehr Wirtschaftswachstum und Wohlstand zu erreichen, braucht es mehr als nur ein paar Tage der Begegnung«, schrieb Shannon O'Neil vom Council on Foreign Relations. »Der Erfolg hängt davon ab, was als nächstes kommt.«

© dpa-infocom, dpa:220611-99-624306/4