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Aktuell Arbeitszeit

Überstunden-Alarm im Kreis Reutlingen: Millionen bleiben unbezahlt

Gewerkschaft NGG appelliert an Bundestagsabgeordnete des Landkreises: Der Acht-Stunden-Tag soll bleiben.

Arbeitskräfte in der Gastronomie leisten auch im Kreis Reutlingen viele Überstunden.  FOTO: STANKOVIC/ADOBESTOCK
Arbeitskräfte in der Gastronomie leisten auch im Kreis Reutlingen viele Überstunden. Foto: Adobe Stock
Arbeitskräfte in der Gastronomie leisten auch im Kreis Reutlingen viele Überstunden.
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KREIS REUTLINGEN. Die Arbeitnehmer im Landkreis Reutlingen schieben nach Gewerkschaftsangaben ordentlich Überstunden: Rund 4,2 Millionen Stunden haben Beschäftigte im vergangenen Jahr geleistet, davon rund 2,3 Millionen zum Nulltarif – unbezahlt. Das geht aus dem »Arbeitszeit-Monitor« hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht hat.

Allein in Hotels und Gastronomie leisteten Köche, Kellner, Barkeeper und Co. rund 61.000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Die Wissenschaftler haben dabei für den Kreis Reutlingen bundesweite Durchschnittswerte von Arbeitszeiten in der Gastronomie herangezogen. Demnach waren 52 Prozent aller im Landkreis Reutlingen geleisteten Überstunden in Hotels, Restaurants, Gaststätten und Biergärten unbezahlt.

Die Gewerkschaft warnt vor einem weiteren Anstieg der Arbeitsbelastung, sollte die Bundesregierung das Arbeitszeitgesetz ändern. Geplant ist demnach eine mögliche Abschaffung des Acht-Stunden-Tages. »Betriebe könnten von ihren Beschäftigten dann verlangen, auch zehn, elf oder in der Spitze sogar zwölf Stunden und 15 Minuten pro Tag zu arbeiten«, sagt Michael Gutmann von der NGG Ulm-Aalen-Göppingen.

Die NGG schlägt daher Alarm: Schon jetzt betrage die maximale Arbeitszeit 48 Stunden pro Woche. In der Spitze seien sogar 60-Stunden-Wochen möglich. »Das sind Extrem-Arbeitswochen. Selbst wenn solche ›Hammer-Wochen‹ innerhalb eines Vierteljahres ausgeglichen werden müssen. Doch noch schlimmer wird es, wenn die Bundesregierung jetzt tatsächlich ans Arbeitszeitgesetz Hand anlegt und den Acht-Stunden-Tag kippt. Dann würde nur noch das europäische Recht ein Wochen-Limit für die Arbeitszeit setzen.  Arbeitgeber könnten ihre Beschäftigten dann sogar zu 73,5-Stunden-Wochen verdonnern – nämlich zu sechs Tagen à 12 Stunden und 15 Minuten im Job. Das wäre fast das doppelte Wochen-Pensum von heute – und damit Arbeitszeit-Stretching pur«, so Gutmann.

Für planbare Arbeitszeiten

Der Geschäftsführer der NGG Ulm-Aalen-Göppingen macht seinem Ärger Luft: »Viele Arbeitgeber im Kreis Reutlingen würden das hemmungslos ausnutzen. Es drohen dann völlig überladene Arbeitswochen.« Gutmann spricht von einem »Arbeitszeit-Monopoly« der Bundesregierung: »Das ist wilde Zeit-Zockerei. Für Beschäftigte bedeutet das: Arbeiten bis ans Limit – und darüber hinaus«.

Er hat dabei die Gesundheit der Beschäftigten im Blick, aber auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. »Nach acht Stunden Arbeitszeit steigt die Gefahr von Arbeitsunfällen rasant an. XXL-Arbeitstage bedeuten auf Dauer eine Belastung für den Körper und für die Psyche: von Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen bis zum Burnout.«

Kernforderungen der NGG sind: Keine Aufweichung des Acht-Stunden-Tages, stattdessen planbare Arbeitszeiten, die zu den Betreuungszeiten von Kita und Hort passen. »Denn wer holt die Kinder dort ab, wenn die Schicht zwölf Stunden geht?«, fragt Gutmann. Aktuell würden 63 Prozent aller Teilzeit-Jobs im Landkreis von Frauen gemacht.

Er appelliert an die Bundestagsabgeordneten der Region, dem »Herumschrauben am Arbeitszeitgesetz in Berlin einen Riegel vorzuschieben«. Schon jetzt seien flexible Arbeitszeiten im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes und durch Tarifverträge, die die NGG abgeschlossen habe, für viele Beschäftigte Alltag. »Noch mehr Flexibilität ist gar nicht nötig.«

Die NGG betont, dass längere Arbeitszeiten kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels seien. »Gute Arbeitsbedingungen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, systematische Qualifizierung und mehr Ausbildung. Das sind die richtigen Hebel für mehr Fachkräfte«, so Gutmann. (eg)