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EM-Spieler bekennen Farbe

Die deutsche Nationalmannschaft setzt sich bei der EM gegen Homophobie ein. Der europäische Fußball-Verband Uefa sieht politisches Engagement weiter skeptisch.

Zeichen
Manuel Neuer wird auch gegen Ungarn die Regenbogen-Binde am Arm tragen. Foto: Christian Charisius/dpa
Manuel Neuer wird auch gegen Ungarn die Regenbogen-Binde am Arm tragen. Foto: Christian Charisius/dpa

HERZOGENAURACH. Ordnung muss sein. Ohne Regeln ist kein geordneter Ablauf möglich und nichts liegt dem europäischen Fußballverband ferner als Spiele ohne kontrollierende Instanz. Zuvorderst ist der Schiedsrichter für die Leitung der Partien zuständig. Zusätzlich setzt die Uefa für jede Partie der Europameisterschaft einen Match-Delegierten ein. Er überprüft unter anderem, ob die Ziffern auf den Trikots die richtige Größe haben (zwischen 25 und 35 Zentimetern).

Nach dem Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal fand er Grund zur Beanstandung. Nicht etwa, weil die Ziffern zu groß waren, hier hatte sich der Zeugwart des DFB an die Uefa-Regularien gehalten. Manuel Neuer allerdings trug eine Spielführerbinde, die mit den Vorgaben der Uefa so nicht in Einklang zu bringen war. Der Verband nämlich hatte Kapitänsbinden für jede Mannschaft bereitgestellt. Neuer aber spannte eine andere Binde um seinen Arm. Sie war in den Regenbogenfarben gehalten und ist ein nach außen sichtbares Symbol für Diversität und gegen Homophobie.

Die Uefa untersuchte den Vorfall. Zwar entschied sie letztlich, dass Neuer die Binde auch künftig tragen darf, aber nun steht sie bereits vor der nächsten – aus ihrer Sicht – schweren Entscheidung. Der Münchner Stadtrat hat den Antrag gestellt, im Rahmen des Spiels gegen Ungarn die Münchner Arena in den Regenbogenfarben zu illuminieren. Es wäre ein weiteres sichtbares Zeichen. Eines, das sich auch gegen Viktor Orban wendet, dessen Regierung unlängst ein Gesetz billigte, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt.

Nationalspieler Leon Goretzka findet die Idee der Regenbogen-Arena gut. "Ich glaube, insgesamt als Fußball-Welt kann man aktuell sehr gut erkennen, dass wir Rassismus und Homophobie mit Vielfalt entgegentreten wollen. Es ist ein schönes Zeichen, dass da mit vielfältigen Ideen aufmerksam gemacht wird", so der Nationalspieler. Er gilt als sozial engagiert und hat eine klare Meinung, zu der Aktion, sich vor Spielen hinzuknien, um so gegen Rassismus zu protestieren. "Selbst wenn wir uns daran nicht beteiligen, bedeutet das nicht, dass wir die Aktion nicht unterstützen.

Ähnlich formuliert es auch Joshua Kimmich: »Rassismus ist immer ein wichtiges Thema für uns. Wir haben auch schon mit der ein oder anderen Aktion Zeichen gesetzt.« Das betonte auch Rainer Koch, Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes. Der Verband mache »unfassbar viel«, betont er: »Wir klären auf und stellen uns gegen die Ewiggestrigen. Aber genug macht man nur dann, wenn auch der letzte Idiot zur Vernunft kommt. Dieser Weg ist ein steiniger und weiter«.

Die Nationalmannschaft wie der DFB, »stehen unverrückbar für Werte wie Vielfalt, Toleranz, Teilhabe und damit klar gegen jede Form von Gewalt, Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Und dies völlig unabhängig von der Geste des Niederkniens.«

Auf die Knie gehen derzeit aber andere. England, Schottland oder auch Belgien, selbst einige Schiedsrichter nutzen aktuell die Plattform, um sich zu positionieren. Der Kniefall, den der ehemalige Footballer Colin Kaepernick 2016 zum ersten Mal vollzog, gilt seit einigen Jahren nicht nur im Sport als das Symbol des Protestes gegen Rassismus.

Die belgischen Profis  Romelu Lukaku (links) und Leander Dendoncker setzen vor dem Spiel gegen Dänemark mit dem  Kniefall ein Ze
Die belgischen Profis Romelu Lukaku (links) und Leander Dendoncker setzen vor dem Spiel gegen Dänemark mit dem Kniefall ein Zeichen gegen Rassismus. Foto: Kjaerbye/Witters
Die belgischen Profis Romelu Lukaku (links) und Leander Dendoncker setzen vor dem Spiel gegen Dänemark mit dem Kniefall ein Zeichen gegen Rassismus.
Foto: Kjaerbye/Witters

"Schade, dass es den Kniefall zu meiner aktiven Zeit nicht gab", sagt der Ex-Nationalspieler Patrick Owomoyela: "Hätte es dieses Symbol damals schon gegeben, Sie können sicher sein, ich hätte sicher versucht, meine Mitspieler zu überzeugen, auf die Knie zu gehen.

Es sei traurig, dass man heutzutage noch immer über Rassismus und Ausgrenzung sprechen müsste. Umso wichtiger findet er Zeichen wie den Kniefall gerade bei einer EM: »Der Fußball hat eine enorme Strahlkraft. Dieses Turnier bietet eine große Bühne für solche Aktionen und sorgt für eine riesige Reichweite.«

Ob er sich wünschen würde, dass die DFB-Auswahl bei der EM auch dieses Symbol nutzt? »Natürlich wäre es schön, wenn die deutsche Nationalmannschaft bei dieser EM es anderen Teams gleichtun und knien würde. Gerade, weil dieses Team ja auch für Vielfalt steht und dies mit anderen Aktionen, wie etwa der Regenbogenbinde, ja bereits dokumentiert hat«, sagt Owomoyela: »Aber das bedeutet nicht, dass ich es negativ finde, wenn sie nicht kniet. So ein Zeichen muss immer von Innen heraus kommen. Ich halte nichts von aufgesetzten Aktionen.«

Erwin Kostedde, der erste schwarze deutsche Fußball-Nationalspieler, hat seine Zweifel, dass solche Aktionen immer von Innen heraus kommen. »Ich bin mir nicht sicher, ob alle Spieler in einer Mannschaft dahinterstehen oder das von oben oder einigen wenigen praktisch angeordnet wird«, sagt der 75-Jährige. Ob die deutsche Mannschaft knien sollte? »Die sollten das genau dann machen, wenn alle in der Mannschaft dafür sind«, erklärt Kostedde, betont aber auch: »Das sind ja nicht gleich Rassisten, wenn sie nicht mitmachen wollen. Ganz ehrlich, es gibt Spieler, die gegen Rassismus sind, das aber nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten wollen.« Auch dafür habe er Verständnis.

Dass der Kniefall etwas bringt, davon ist Kostedde nicht überzeugt. »Ehrliche Antwort? Null, das ist doch im Wesentlichen eine Kampagne«, sagt er. Sein Vorschlag: Statt des Kniefalls sollten andere Sachen intensiviert werden, um für Aufklärung zu sorgen – Interviews von Spielern zu diesem Thema etwa.

Dass es immer wieder der Erinnerung bedarf, sieht man aktuell bei den Spielen der ungarischen Nationalelf in Budapest gegen Portugal und Frankreich, wo Christiano Ronaldo, Kylian Mbappe und Paul Pogba rassistisch oder homophob beleidigt wurden.

Kostedde hat das auch erlebt und weiß, so etwas kann auf die Leistung gehen. »Wenn mir einer beim Einwurf zugerufen hat ›geh doch nach Afrika‹, dann hat mich das beschäftigt. Und oft waren die Worte viel schlimmer. Da kann sich keiner freimachen. Das bremst.«

Auch deshalb ist es wichtig Zeichen zu setzen. Sei es ein Kniefall, eine bunte Arena oder ein Stück Stoff am Arm. Das hat selbst die Uefa mittlerweile verstanden. Ein »guter Grund« sei es gewesen, nicht die vom Verband vorgesehene Armbinde zu nehmen, sondern die Regenbogenbinde.

Vielleicht lässt sie den Grund ja auch am Mittwoch gelten. Dann würden die Farben nicht nur an Neuers Arm strahlen, sondern an der ganzen Arena. (GEA)