LONDON. Die »Schlacht« ist geschlagen – und die deutsche Nationalmannschaft hat sie verloren. Im legendären Wembley-Stadion in London unterlag die Mannschaft von Joachim Löw verdient mit 0:2 (0:0) und schied damit wie Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal im Achtelfinale der paneuropäischen Europameisterschaft aus. Die letzte Mission des Langzeit-Bundestrainers verfehlte ihr erhofftes Ziel in seinem 198. Spiel, Joachim Löw ist Geschichte. And Football is coming Home.
Die Treffer erzielten Raheem Sterling in der 75. Minute, Harry Kane vollendete einen Bilderbuchangriff in der 86. Minute mit dem entscheidenden 2:0. Kurz zuvor hatte Thomas Müller die hundertprozentige Chance zum Ausgleich nahezu kläglich ausgelassen.
Die erste Umorientierung hatte es schon vor dem Anpfiff in Wembley gegeben. Löw entschied sich für den Einsatz von Leon Goretzka, Thomas Müller und Timo Werner in der Anfangsformation. Goretzka und Müller waren erwartet worden, Werner nicht. Goretzka ersetzte Ilkay Gündogan, der nach seiner Schädelprellung beim Klassiker zunächst auf die Bank musste. Chelsea-Stürmer Werner rückte für Serge Gnabry in die Angriffsreihe, nach seiner Kapselverletzung im Knie ersetzte Müller den enttäuschenden Leroy Sané. Antonio Rüdiger und Robin Gosens auf der linken Defensivseite hatten ihren grippalen Infekt rechtzeitig überwunden.
»Über diese Spiele wird Jahre gesprochen, es geht für uns um alles oder nichts, Wembley hat eine enorme Brisanz, ich spüre die allerhöchste Motivation meiner Mannschaft«, hatte Löw am Vorabend gesagt. Es gab keine Systemumstellungen bei ihm, das 3-4-3 stand nie zur Diskussion, System wird nach Löw ohnehin überbewertet. »Es kommt auf andere Dinge an, wir müssen eiskalt sein, clever, wir brauchen Tiefe im Spiel.«
Deshalb auch die Chance für den schnellen Timo Werner: »Wir wollen nicht die Sterne vom Himmel herunterspielen, wir wollen gewinnen, wir brauchen Effizienz, eine zweite Chance gibt es nicht«, sagte Löw unmittelbar vor dem Anpfiff. Bei den Engländern, die in der Abwehr überraschend auf eine Dreierkette umstellten, fehlte in der Offensive erneut der Dortmunder Jadon Sancho in der Startelf, auch Club-Kollege Jude Bellingham saß an seinem 18. Geburtstag zunächst auf der Bank. Neben dem noch torlosen Kapitän Harry Kane spielten erneut Bukayo Saka und Raheem Sterling, der die beiden bislang einzigen Tore der Engländer erzielte.
Vor dem Anpffif des niederländischen Schiedsrichters Danny Makkelie knieten beiden Mannschaft solidarisch für Vielfalt und Toleranz – gegen Rassismus, Homophobie und Diskriminierung. England wartet seit dem Finale der Weltmeisterschaft 1966 auf einen Sieg in diesem Stadion. Die Begegnung beider Mannschaften ist ein historischer Akt an sich, keine andere Begegnung weltweit besitzt diesen Grad an Emotionalität, an Wirkung, an Dramatik.
Die ersten Minuten in Wembley gehörten der deutschen Mannschaft, ein gefährlicher Vorstoß von Goretzka in der Anfangsphase, ein Freistoß von Kai Havertz (10.), erst allmählich befreien sich die Three Lions. Raheem Sterling prüft Manuel Neuer (16.), Harry Maguire vergibt (27.), England hat ein Übergewicht. Bis Joshua Kimmich mit links eine Flanke schlägt und Robin Gosens verpasst (32.), dann ein Pass von Havertz auf den Chelsea-Kollegen Werner, Jordan Pickford hält (33.). Kurz vor der Halbzeit ein katastrophaler Fehlpass von Thomas Müller, Sterling geht mit dem Ball, Pass auf den bis dahin weitgehend wirkungslosen Harry Kane, Mats Hummels rettet in allerletzter Sekunde – das musste die Führung für England sein.
Kai Havertz hat kurz nach Wiederanpfiff die nächste Chance, Pickford pariert den 20-Meter-Schuss aber glänzend. Das Spiel verläuft weiter ausgeglichen. Aber die Engländer übernahmen mehr und mehr die Regie. Beim viermaligen Weltmeister häufte sich dagegen die Fehlerquote, es gelang nicht mehr durchgehend, in den Strafraum des Gegners zu kommen. In der 75. Minute der erste Treffer der Engländer durch den überragenden Raheem Sterling von Manchester Cty, der Manuel Neuer keine Chance ließ. Die Mannschaft von Löw wehrte sich weiter, aber es nutze nichts. Thomas Müller scheiterte allein vor Jordan Pickford kläglich. Und dann kam die große Stunde von Harry Kane. Sein Tor zum 2:0 bedeutete das Aus für die deutsche Mannschaft. (GEA)