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Was Besucher und Beschicker zum Reutlinger Wochenmarkt sagen

Breites Angebot, viel Regionalität, hohe Qualität: Besucher und Beschicker schwärmen vom Wochenmarkt

Die Besucher schätzen, dass es noch regionale Produkte und Eigenproduzenten auf dem Reutlinger Wochenmarkt gibt.fotos: pieth
Die Besucher schätzen, dass es noch regionale Produkte und Eigenproduzenten auf dem Reutlinger Wochenmarkt gibt. Foto: Frank Pieth
Die Besucher schätzen, dass es noch regionale Produkte und Eigenproduzenten auf dem Reutlinger Wochenmarkt gibt.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Der Reutlinger Wochenmarkt ist ein »Klassiker«. So jedenfalls empfindet Eleonore Griebsch das Treiben vor und hinter den Ständen. Mit ihrem proppenvollem Kärrele, aus dem zwei Lauchstangen herauslugen, legt die 72-Jährige am GEA-Mobil ein Plauder-Päusle ein, schwärmt von der »entspannten Atmosphäre« und sagt: »Ich brauche kein Tamtam.«

»Klassisch« findet sie den Markt deshalb, weil er seinem Namen alle Ehre macht. »Das hier ist kein Gemischtwaren-Basar, sondern ein aufrechter Wochenmarkt.« Was, wie Griebsch findet, »ein Vorteil, eine Stärke« ist. »Ich brauche keine Nachthemden, Taschen oder anderen Krimskrams. Wochenmarkt bedeutet für mich frisches Obst und Gemüse möglichst direkt vom Erzeuger. Fertig.«

Das Angebot an frischem Gemüse ist tatsächlich breit gefächert – selbst für einen Dienstagvormittag. Junges Gemüse sucht man hier indes vergebens. Heute ist ganz offensichtlich die Generation »70 plus« am Start. Etwa Horst Ruf (78) und Wilhelmine Sauer (88), die sich als Fans des Open-Air-Verkaufs im Herzen der Reutlinger Altstadt zu erkennen geben. Beide sind sie mit dem Reutlinger Wochenmarkt »zufrieden«. Übrigens auch mit dessen Öffnungszeiten. »Das passt.«

GEA-Redakteure fragten: Wie finden Sie den Reutlinger Wochenmarkt?
GEA-Redakteure fragten: Wie finden Sie den Reutlinger Wochenmarkt? Foto: Frank Pieth
GEA-Redakteure fragten: Wie finden Sie den Reutlinger Wochenmarkt?
Foto: Frank Pieth

Unpassend hingegen: Radler und Hunde. An Letzteren stört sich Karin Braun. Und Radfahrer sind Waltraud Finkbeiner ein Dorn im Auge. Und zwar egal, ob sie im Sattel sitzen oder ihre Drahtesel schieben. »Vor allem am Samstag ist das einfach nur rücksichtslos. Denn an Samstagen ist es voll und eng.« Und an Samstagen kauft nach Beobachtung von Renate Wörner oft die Gereiztheit mit ein.

Während eine ihrer Vorrednerinnen die entspannte Atmosphäre lobt, empfindet Wörner Handel und Wandel auf dem Reutlinger Marktplatz als »eher hektisch«. Selbst Frühaufsteherin, erledigt sie ihre Einkäufe in aller Regel zügig, um sodann Kaffee trinkend das Marktleben aus der Distanz zu betrachten. Was sie in solchen Momenten erblickt, gefällt ihr nicht. »Den Leuten fehlt es an Ruhe.« Und was fehlt Renate Wörner? »Eigentlich nichts.« Zwar fände sie die Idee, an geeigneter Stelle Sitzecken und Stehtische fürs gesellige Miteinander bei Häppchen und Schampus einzurichten, grundsätzlich gut. Jedoch: »Ich glaube nicht, dass das in Reutlingen funktionieren würde. Das täte kaum jemand annehmen«, ist Renate Wörner überzeugt. Denn Reutlingen sei nunmal nicht Stuttgart. »Bei uns ist das Publikum anders gestrickt.«

Werner Holnaicher
Werner Holnaicher Foto: Frank Pieth
Werner Holnaicher
Foto: Frank Pieth

»Stimmt! Bei uns sucht man die Schickeria vergebens«, betont Emanuel Müller. Sekt und Kaviar – das wären »Fremdkörper«. Mal ganz davon abgesehen, dass man auf Wunsch an allen Ständen »Versucherle« bekommt. »Wenn man fragt, darf man probieren«, weiß Heidi Döttinger (73) die bei Marktgängen das Shoppen und »Leute gucken« miteinander verbindet.

Das mit dem Sekt wäre ohnehin nicht so einfach: Denn auf dem Reutlinger Wochenmarkt darf kein Alkohol ausgeschenkt werden, erklärt Marktleiter Werner Holnaicher. Wer das an seinem Stand tun will, müsste eine Genehmigung beantragen. Nach Ansicht des Dienstleisters ist das aber überflüssig: »Es gibt doch genug Cafés und Kneipen in nächster Nähe.« Der Markt biete auch so ausreichend Treffpunkte für einen Plausch.

Insgesamt ist er recht zufrieden mit dem Markt, vor allem den Samstag, wenn rund 25 000 Menschen über den Platz schlendern. Dass dann auch Leute aus dem Umland, von der Alb und von Stuttgart kommen, wundert ihn überhaupt nicht: »Der Reutlinger Wochenmarkt gehört zu den schönsten in Baden-Württemberg.« An den 55 festen Ständen und bei den 30 saisonalen Beschickern, die zum Beispiel zur Spargelzeit dabei sind, gebe es eine gute Auswahl und hohe Qualität.

Brigitte Schur
Brigitte Schur Foto: Frank Pieth
Brigitte Schur
Foto: Frank Pieth

Auch für Manfred Aichele, der seit 50 Jahren hier einkauft, ist der Reutlinger Wochenmarkt einer der schönsten in Deutschland – vor allem, weil die Händler ihre Fahrzeuge außerhalb parken müssen. Dennoch stellt er seit sechs, sieben Jahren einen Wandel fest, der ihm nicht gefällt: »Es ist ja viel von regionalen Produkten die Rede. Doch das ist oft nur Propaganda. Es gibt fast nichts Einheimisches mehr.« Noch komme er gerne auf den Markt, für die langfristige Entwicklung sehe er aber eher schwarz.

Karin Kreisel aus Ohmenhausen ist »seit 30 Jahren Fan vom Wochenmarkt«. Sie lobt die regionale Ware und die tolle Qualität – und zieht den Hut vor den Marktbeschickern, die bei Wind und Wetter dastehen. Bei Maja Walter werden Kindheitserinnerungen wach, wenn sie auf dem Markt ist: »Als junge Frau habe ich in Kroatien selbst Eier auf den Markt getragen.« Sie kauft immer nur so viel Obst und Gemüse, dass es für ein, zwei Tage reicht – und lässt sich keinen Markttag entgehen: »Ich liebe den schönen Reutlinger Markt.«

Hermann Lang aus Engstingen ist einer, der vergleichen kann: Dienstags und donnerstags ist er mit seinem Blumenstand in Reutlingen, samstags schon seit Jahrzehnten immer in Stuttgart. Reutlingen ist für ihn ein guter Markt, auch wenn er etwas nachgelassen habe: »Früher gab es eine Warteliste.« Heute sei »der Donnerstag ein schlechter Tag«. Früher hatte Manfred Aichele eine eigene Gärtnerei, heute betreibt er einen Blumenhandel – »mit guter, deutscher Ware«, wie er betont. Er zeigt auf den Stand neben ihm, wo eine Landwirtin zwei Sträuße Sonnenblumen für 2,50 Euro verkauft: »Da ist keine Mark verdient.« Trotzdem hat er nichts gegen die kleinen Selbsterzeuger: »Reutlingen ist ein Bauernmarkt – davon lebt das Ganze.« Wenn nur noch Profis an den Ständen stünden, ginge viel Flair verloren.

Manfred Aichele
Manfred Aichele Foto: Frank Pieth
Manfred Aichele
Foto: Frank Pieth
»Einer der schönsten Wochenmärkte Süddeutschlands«

Zwei Kohlköpfe, zwei krumme Gurken zwei kleine Kisten mit Kartoffeln und Äpfeln: Brigitte Schur aus Kappishäusern hat ein übersichtliches Sortiment an ihrem kleinen Stand mit Erzeugnissen aus dem eigenen bäuerlichen Kleinbetrieb. »Ihre Eier sind immer sofort weg. Das ist echte Bioware hier«, bemerkt eine Kundin, die gerade bezahlt hat. Seit 30 Jahren ist die Bäuerin auf dem Reutlinger Wochenmarkt. Früher hätten noch Gastronomen bei ihr Salat gekauft. Die Zeiten sind vorbei. Birgitte Schur hat festgestellt, dass die Leute früher mehr Geld ausgegeben haben und heute sehr auf Qualität und Preis achten.

»Zu teuer« ist Osamudiamen der Reutlinger Wochenmarkt. »Ich habe nicht viel Geld und kann mir das Einkaufen hier nicht leisten«, bekennt die gebürtige Nigerianerin. Ja, knackig sei das angebotene Gemüse schon, knackig seien aber eben auch die Preise. Ganz anders als in ihrer Ur-Heimat. »In Nigeria kann man auf den Märkten günstig einkaufen« – allerdings bei insgesamt dürftigerem Warenangebot. »Dort gibt es viel weniger Auswahl. Aber weil die Leute das nicht anders kennen, vermissen sie nichts.«

Und Silva Pecovnic? Vermisst sie etwas. Nicht wirklich. Allerdings wäre mehr Fingerfood für den kleinen Hunger – jenseits roter Würste – für sie trotzdem eine attraktive Dreingabe. Dem pflichtet Susanne Franck bei. Außerdem ist sie der Auffassung, dass man »den Treffpunktcharakter des Markts herausarbeiten sollte.« Sitzgelegenheiten, die zum Verweilen einladen, eine »Gastro-Insel«, fände sie angenehm – gerade auch für Senioren, die nicht mehr so gut zu Fuß sind.

Silva Pecovnik
Silva Pecovnik Foto: Frank Pieth
Silva Pecovnik
Foto: Frank Pieth

Francks Blick schweift in Richtung Spitalhof, wo die Combo »Papirossa« einen Klangteppich ausgerollt hat. Handgemachte Salon- und Kaffeehausmusik der 1920er- und 1930er-Jahre umschmeichelt die Ohren von Beschickern und Kundschaft. »Das ist schön. Man sollte niveauvolle Straßenmusik zur Marktzeit nicht dem Zufall überlassen, sondern zum festen Bestandteil des Marktlebens machen.«

Ein zunehmendes Interesse von jüngerem Publikum am Markt hat Käsehändler Klaus Siebert beobachtet, der seine Tiroler Spezialitäten auch auf anderen Märkten anbietet. Insgesamt nehme das Geschäft unter der Woche eher ab, weil die wenigsten Menschen dann Zeit zum Einkaufen haben, dafür sei der Samstag ein sehr guter Tag. Da sei der Markt so gut besucht, dass jeder der »vielen Käsehändler« seinen Schnitt macht. Für ihn ist »der Reutlinger Markt einer der wichtigsten in der Region«.

Von einer Erweiterung der Marktzeiten will er ebenso wenig etwas wissen wie der Reutlinger Gemüsehändler Peter Seibold, dessen Familie seit über 40 Jahren einen der größten Stände auf dem Wochenmarkt hat. »Wir sind samstags von vor 4 bis 15.30 Uhr da. Das reicht. Wir bräuchten sonst mehr Mitarbeiter.« Auch er ist davon überzeugt, dass »Reutlingen einen der bestfunktionierenden Wochenmärkte Süddeutschlands hat«.

Ein großes Angebot, viele regionale Produkte und ein hohes Niveau macht er dafür verantwortlich. Dass das so bleibt, sei aber kein Selbstläufer: Wenn der Markt wegen der Umgestaltung des Platzes für ein Jahr an die Stadthalle verlegt wird, könnte es seiner Meinung nach »kritisch werden«. Am vorgesehenen Standort sei zu wenig Platz und zu viel Sand um die Bäume. Die Händler hätten ein Problem, dort mit ihren Rollwagen und Paletten zu hantieren. Es sei wichtig, dass alle Händler dieses Jahr gut überstehen. Wenn welche aufhören, werde es schwierig, den Marktplatz später wieder mit Leben zu füllen.  (GEA)