REUTLINGEN/STUTTGART. Erst vor wenigen Wochen freute sich das Umweltministerium in Stuttgart zusammen mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg in einer gemeinsamen Mitteilung: »Erneut Nachwuchs beim Goldschakal-Pärchen«. Schon zum dritten Mal hatte demnach das Pärchen Junge bekommen. Das Familienglück spielte sich in den Wäldern und Wiesen des Schwarzwald-Baar-Kreises ab, also nur eine gute Autostunde vom Landkreis Reutlingen entfernt. Auch im Kreis Ravensburg ist ein Goldschakal nachgewiesen und von Wildkameras fotografiert worden. Es gilt als sicher, dass er dort lebt. Selbst im Landkreis Reutlingen ist er einmal von einer Wildtierkamera »erwischt« worden. Im August 2019 bei Römerstein. Danach wurde das Tier nicht mehr nachgewiesen.
Wildtierexperte Felix Böcker von der FVA geht im Gespräch mit dem GEA davon aus, dass dieses Tier auf der Durchreise war. Er will explizit nicht ausschließen, dass Goldschakale mittlerweile erneut in den Kreis Reutlingen eingewandert sind, nur niemanden aufgefallen und in keine Fotofalle getappt sind. »Die Ausbreitung geht recht schnell. Im Jahr 2019 gab es noch keine Goldschakale hier, jetzt werden es immer mehr«, so Böcker. In ganz Deutschland gab es vor fast genau einem Jahr mehr als 320 Nachweise von Goldschakalen.
In Baden-Württemberg gibt es zudem eine kleine, aber wohl recht stabile Goldschakal-Populationen. Denn das Elternpaar im Schwarzwald-Baar-Kreis hatte bereits in den Jahren zuvor jeweils einen Wurf Junge bekommen. Im Jahr 2022 waren vier Welpen zur Welt gekommen und von einer Wildtierkamera im Wald automatisch fotografiert worden. Von den im August geborenen Jungen gibt es laut Felix Böcker mittlerweile Videoaufnahmen, die fast ausgewachsene Tiere zeigen. Laut FVA hat sich der gesichtete Goldschakal im Landkreis Ravensburg (noch) nicht vermehrt.
Verwechslungsgefahr mit kleinen Wölfen
Damit breitet sich der Goldschakal, der erstmals in Brandenburg nachgewiesen wurde, nicht nur in Deutschland, sondern auch im Südwesten weiter aus. Sie können bei ihren Wanderungen auf der Suche nach einem neuen Revier bis zu 300 Kilometer zurücklegen. Die Tiere waren vor mehr als 25 Jahren erstmals aus Südosteuropa nach Deutschland gekommen waren. Felix Böcker von der FVA, geht dabei hauptsächlich von zwei Gründen aus: Der Klimawandel und die Tatsache, dass es in Baden-Württemberg kaum Wölfe gibt. Denn Wölfe sind die natürlichen Feinde der Goldschakale und töten sie.
Goldschakale leben in Familiengruppen, die in der Regel aus dem Elternpaar und dessen Nachkommen bestehen. Sie sind etwas größer als Füchse und werden wegen ihrer Fellfärbung auch mit ihnen oder mit kleinen Wölfen verwechselt. Ihre Reviere können bis zu 12 Quadratkilometer groß werden. Sie bevorzugen Agrarlandschaften, Wiesen und Wälder.
Goldschakale sind Allesfresser und bedienen sich selbst an Müllhalden
Der Goldschakal ist ein Allesfresser, vergleichbar mit dem Fuchs. Das heißt, er frisst kleine Säugetiere wie Vögel, Mäuse oder Ratten, aber auch Pflanzen und Früchte sowie Aas. Wie der Fuchs reißt auch er, wenn er die Gelegenheit dazu hat, gerne mal ein Huhn. Mittlerweile gibt es aber auch vereinzelt Fälle, in denen Goldschakale auch Schafe gerissen haben. Drei Risse sind in Nordrhein-Westfalen dokumentiert. In Baden-Württemberg hat ein Goldschakal ein totes Schaf entdeckt und von dem Kadaver gefressen. Wildtierexperte Felix Böcker: »Der Goldschakal kann Nutztiere reißen. Das macht er aber äußerst selten, weil es aufwendiger für ihn ist, als nach Aas zu suchen.«
In freier Wildbahn kann er auch mal ein Rehkitz reißen. »Das können und machen auch Füchse, das ist nur allgemein wenig bekannt«, so Böcker. In Südosteuropa wurden auch schon vermehrt Goldschakale an Müllhalden gesehen, wo sie sich von allen möglichen Abfällen ernähren.
Die Tiere leben ausgesprochen zurückgezogen und meiden Menschen. Felix Böcker: »Ich bin deshalb überzeugt davon, dass wir mehr Goldschakale in Deutschland haben, als wir es wissen. Sie zu Gesicht zu bekommen, ist extrem selten.« Für den Menschen gehe von dem Tier keine Gefahr aus. Seine Ausbreitung ist zufällig. »Überall kann der Goldschakal auftauchen«, so Böcker. Möglich sei auch, dass er auch schon irgendwo gesehen wurde, aber mit einem Fuchs verwechselt wurde. Dennoch gibt es nirgendwo in Deutschland so viele Goldschakal-Nachweise durch Bilder aus Fotofallen wie in Baden-Württemberg.
Böcker ist überzeugt, dass die Goldschakale gekommen sind, um zu bleiben: »Die werden nicht mehr verschwinden.« Wenn sich das Goldschakal-Pärchen im Schwarzwald-Baar-Kreis jetzt bereits zum dritten Mal vermehrt hat, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, wann sich der Nachwuchs auf Wanderschaft begibt, um eigene Reviere im Land zu erobern. Die größte Gefahr für die Tiere ist dabei der Autoverkehr. In Österreich hatte ein Goldschakal für Schlagzeilen gesorgt, weil er im Stadtgebiet von Wien von einem Auto überfahren und getötet wurde.
Die Tiere dürfen zwar grundsätzlich in Deutschland bejagt werden, dies allerdings nur mit behördlicher Genehmigung. Diese wird aber nur erteilt, wenn es ausreichend viele Tiere gibt, was nachweislich im Südwesten nicht der Fall. Goldschakale gehören zudem zu den geschützten Tierarten. In Praxis bedeutet das: Ihr Abschuss ist nicht erlaubt.
Der Goldschakal ist keine invasive Art, wie beispielsweise der Waschbär. Er ist nicht, wie viele der sogenannten invasiven oder gebietsfremden Arten, irgendwann einmal vom Menschen eingeschleppt worden, sondern von sich aus gekommen. Es scheint nicht eine Frage zu sein, ob er wieder in den Landkreis Reutlingen kommt, sondern wann er kommt und ob er bleibt und sich hier vermehrt. Möglicherweise ist er ja schon da und ist nur noch nicht entdeckt oder mit einem Fuchs verwechselt worden. (GEA)