REUTLINGEN. Seit 450 Jahre wacht Kaiser Maximilan II. in Form einer Brunnenskulptur über den Reutlinger Marktplatz. Die auf dem Schild der herrschaftlichen Figur eingehauene Jahreszahl 1570 liefert den Beleg für dieses Jubiläum. Das Stadtarchiv widmet dem stadtbildprägenden Wasserspender eine Wandvitrinenausstellung. Sie präsentiert archivalische Dokumente aus vier Jahrhunderten zum Brunnen und dessen Renaissance-Skulptur. Zu der wusste etwa das »Wochenblatt« von 1837: »Die Bildsäule auf dem Marktbronnen, gemeiniglich der Mann auf dem Bronnen genannt, ist nach allen Merkmahlen Kayser Maximilian II.« Der hatte Reutlingen nach antireformatorischen Wirrungen 1576 seine spätmittelalterliche Verfassung wiedergegeben. Seither gilt er als Garant der bis 1802/03 bestehenden reichsstädtischen Selbstständigkeit der Echazmetropole.
Schöpfer der Skulptur war ein Leonhard Baumhauer, der sich vor allem im württembergischen Umland bildhauerisch hervorgetan hat. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hat der Zahn der Zeit mächtig an seinem Werk genagt. So hielt ein geschichtsbewusster Reutlinger für 1892 fest: »Heute Nacht ist dem Kaiser Maximilian auf dem Marktbrunnen der linke Arm nebst Schild in den Brunnentrog herabgefallen«.
Standort problematisch
Da um die Jahrhundertwende auch noch der Verkehr auf der Wilhelmstraße mehr Platz benötigte, gab es nicht wenige fortschrittliche Stimmen, die für eine Brunnenbeseitigung plädierten. Es war unter anderem der Verein für Kunst und Altertum, der dagegenhielt und sich für das »altgewohnte Stadtbild« einsetzte. Dabei wurde in der Stellungnahme nicht bezweifelt, dass »die seitherige Stelle« des Brunnenstandorts problematisch sei. So hat man schließlich den »alten« Marktbrunnen 1899 abgebrochen und bis 1901 den »neuen« weiter zum Marktplatz hin wiederaufgebaut. Da er in modern-industriellen Zeiten nicht mehr als Viehtränke und Wasserlieferant dienen musste, hat er einen zweistufigen Sockel erhalten und wurde entsprechend erhöht. Die imperiale Gestalt auf der reich verzierten Brunnensäule dagegen hat der Stuttgarter Bildhauer Karl Lindenberger originalgetreu nachgebildet.
In der Archivalienschau belegt etwa das Schuldgeständnis eines Reutlinger Bürgers von 1613, dass der Brunnen in der Vergangenheit auch als Fischbassin verwendet wurde. Jener Stefan Eckart räumt ein, »usser dem marckhtbronnen ettlich vil Pfundt Visch« entwendet und »verbraucht« zu haben. Das Stadtratsprotokoll von 1851 dagegen dokumentiert, wie ein Reutlinger Gastwirt ein Sondernutzungsrecht für das Brunnenwasser (»Abwasser«) erhielt: Der Mann betrieb eine Bierbrauerei.
Weitere Archivalien und Reproduktionen runden die Ausstellung ab. Die Wandvitrine vor den Diensträumen des Stadtarchivs kann in der Rathaus-Eingangshalle besichtigt werden. (GEA)