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Aktuell Vortrag

Reutlinger Schwörtag Zeugnis kultureller Vielfalt

Schwörtag als immaterielles Kulturerbe

Rituale – wie das Fahnenflaigen beim Schwörtag – können Bestandteile eines immateriellen Kulturerbes sein. FOTO: PIETH
Rituale – wie das Fahnenflaigen beim Schwörtag – können Bestandteile eines immateriellen Kulturerbes sein. FOTO: PIETH
Rituale – wie das Fahnenflaigen beim Schwörtag – können Bestandteile eines immateriellen Kulturerbes sein. FOTO: PIETH

REUTLINGEN. Der Vortrag am Freitagabend vor dem Festwochenende »ist unser Beitrag zum Schwörtag«, sagte Professor Roland Wolf, Vorsitzender des Geschichtsvereins. In den vergangenen Jahren holte der Verein regelmäßig hochkarätige Redner unter die Achalm. »Es ist eine respektable Reihe«, sagte Oberbürgermeister Thomas Keck im Foyer des Reutlinger Rathauses. 150 Zuhörer waren gekommen, um den Vortrag von Professorin Dr. Eva-Maria Seng »Schwörtage in der alten und neuen Stadt als immaterielles Kulturerbe« zu hören. Auf Initiative von Reutlingens Verwaltungs- und Kulturbürgermeister Robert Hahn wollen die drei ehemaligen Reichsstädte Reutlingen, Esslingen und Ulm gemeinsam den Antrag stellen, reichsstädtische Schwörtagstraditionen als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen.

Reutlingen gehörte bis 1802 zu den Freien Reichsstädten in Deutschland. Der Schwörtag – immer am zweiten Sonntag nach dem 4. Juli – war in der Reichsstadt das zentrale politische Ereignis. Die Bedeutung des Schwörtags erklärt sich aus der aus dem Jahr 1374 stammenden Verfassung der Reichsstadt in ihren zünftisch-demokratischen Traditionen. Die in Zünften organisierte Bürgerschaft wählte in einem komplizierten Wahlverfahren jedes Jahr aus Neue eigene Regierung: die Bürgermeister, den Senat, den Magistrat und die Amtsträger der zwölf Zünfte – ein Ritual und politisches Ereignis, das jetzt durch die Unesco eine kulturelle Würdigung erhalten soll.

Eva-Maria Seng ist unter anderem gutachterlich tätig für das Unesco-Kulturerbekomitee. Sie entscheidet also mit, welche immateriellen Kulturgüter in die Liste aufgenommen werden. Tanz, Theater, Musik, Handwerkskünste oder eben Feste und Bräuche wie die der Schwörtage dokumentieren kulturelle Vielfalt, deren Wertigkeit national und international Anerkennung verdient. Das deutsche innerstaatliche Umsetzungsverfahren ist vierstufig.

2003 hat die Unesco ein »wegweisendes Instrument zur Würdigung überlieferten menschlichen Wissens und Könnens sowie zur Bewusstseinsbildung für dessen lokale, regionale und internationale Bedeutung« verabschiedet. Erst zehn Jahre später hat Deutschland dieses Abkommen ratifiziert. Immaterielle Kulturgüter sind nicht »Welterbe«. Diese Auszeichnung gilt ausschließlich Baudenkmälern, Stadtensembles sowie Kultur- und Naturlandschaften. Ob und wann der Reutlinger Schwörtag in die Liste aufgenommen werden könnte, sei noch nicht klar, sagte Eva-Marie Seng. (ass/sv)