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Reutlinger Schöffe spricht über drei prägende Fälle

Der ehrenamtliche Richter Manfred Wolf hat am Amtsgericht schon viel Tragisches erlebt. Im GEA spricht er nun darüber.

Schöffe Manfred Wolf Foto: Markus Niethammer
Schöffe Manfred Wolf
Foto: Markus Niethammer
REUTLINGEN. Der Pfullinger Manfred Wolf geht schon in seine dritte Amtszeit als  Schöffe am Amtsgericht in Reutlingen. Den 62-Jährigen fasziniert an dieser ehrenamtlichen Tätigkeit neben den facettenreichen Fällen vor allem, dass seine Stimme im Schöffengericht genauso viel zählt wie die des Berufsrichters und so sein Tun von gesellschaftlicher Relevanz ist. »Man muss sich schon bewusst sein, dass man eine große Verantwortung hat«, fügt der Leiter des Ordnungsamts im Pfullinger Rathaus hinzu. Im GEA blickt Wolf nun auf drei prägende Fälle zurück:

 

Fall eins

»Dieser Fall hat mich sehr schockiert«, erzählt Wolf. Vor seiner Zeit am Reutlinger Amtsgericht war er schon als Jugendschöffe am Landgericht Tübingen im Einsatz. »Es gab Verfahren, die mich noch lange beschäftigt haben«, wie Wolf gesteht, weil man sich da häufiger die Frage stellt, was aus den jungen Straftätern bloß werden soll, wenn sie schon ein zweiseitiges Vorstrafenregister haben. In diesem Fall geht es aber um einen Großvater, der sowohl Jungen als auch Mädchen in seinem näheren Umfeld missbraucht hat. »Wenn man dem Herren auf der Straße begegnet wäre, hätte man nicht diese Straftaten von ihm nicht für möglich gehalten«, gesteht Wolf. »Der sah aus wie der liebe Opa von nebenan.« Aber tächlich hat er das Böse in sich getragen.

Fall zwei

Ein Mann bedroht in Reutlingen einen Taxifahrer. Der reagiert geistesgegenwärtig und drückt den Notfallknopf, sodass Polizeibeamte den Mann schnell festsetzen können. Es stellt sich heraus, dass er Alkoholiker ist und sein Leben mit Anfang vierzig bereits hinter sich hat. »Das war sehr tragisch, weil er ja noch so jung war und sich schon so kaputt gemacht hat«, sagt Wolf. Der Mann hat früher Drogen auch genommen und leidet nun an einer Leberzirrhose. Die Ärzte taxieren seine Lebenserwartung auf drei bis vier Jahre. Auch sein Geisteszustand wird überprüft, da er sich nicht mehr auszudrücken vermag, nachdem er vor der Taxifahrt eine Wodkaflasche geleert hat. »Aber auch in solch tragischen Fällen müssen wir eine angemessenes Strafmaß finden«, sagt Wolf.

Fall drei

Der spielt im »Kleinen Bol« in Betzingen, wo es immer mal wieder zu kleineren Zwischenfällen kommt. »Aber meistens laufen die nur mit dem üblichen Handgemenge ab«, sagt Wolf. Doch diesmal bedroht ein Mann einen anderen mit einem Messer. Glücklichweise sticht er nicht zu, weshalb Wolf den Fall auch in lustiger Erinnerung hat. Denn als der Angeklagte vor Gericht aussagt, fühlt sich Wolf an das Königlich Bayerische Amtsgericht erinnert, einer Kultserie aus den 1970er Jahren. »Da war jeder Satz Comedy«, sagt Wolf. »Der Angeklagte hatte einen herrlichen Slang und trat vor Gericht auch so salopp auf.« Aber fiktiv und im Fernsehen spielt das alles nicht, er steht im echten Leben vor den Richtern und muss sich für seine Tat verantworten. (GEA)