REUTLINGEN. Unternehmer und Wissenschaftler aus der Region haben sich im Rahmen der IHK-Innovationstage über das Thema »Gesundheit – Chancen für die Zukunft« ausgetauscht. Im Mittelpunkt standen die Aktivitäten der Podiumsteilnehmer zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen. Vor allem ging es um die Entwicklung von Impfstoffen und Antikörpertests. Als einen »echten Hotspot für die Medizinwirtschaft« bezeichnete Moderator Dr. Steffen Hüttner, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Biotechnologie und Medizintechnik, die Region. Die beiden Bereiche bildeten eine Zukunftsbranche mit wachsender Bedeutung.
IHK-Präsident Christian O. Erbe pflichtete ihm bei: Die Region sei gut aufgestellt und habe viel unternommen in der Krise – angefangen mit der Produktion von Schutzmasken und der Umstellung der Textilindustrie bis hin zur weltweit notierten Entwicklung eines Corona-Impfstoffs durch die Tübinger Firma CureVac.
Das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut (NMI) an der Universität Tübingen in Reutlingen hat unlängst im Herzen von Reutlingen eine bundesweite Corona-Antikörperstudie gestartet. Institutsleiterin Professor Dr. Katja Schenke-Layland sprach von Reutlingen als Modelllandkreis. Der Antikörpertest sei »in einem Affenzahn« entwickelt worden in Kooperation mit Wissenschaftlern weltweit und Tübinger Ärzten. Eines der Ziele sei, zu verstehen, warum manche positiv getestete Patienten keine Antikörper entwickeln. Schenke-Layland: »Oder werden sie nur sehr schnell abgebaut? Es gibt noch viele Fragen, auf die es keine Antworten gibt.«
Die Tübinger Firma CeGaT bietet Genanalysen für die medizinische Praxis, Forschung und die Pharmabranche. In der Region habe sie »mit Menschenschlangen Geschichte geschrieben«, die sich vor Corona-Teststationen gebildet hatten, sagte der Moderator. Bislang habe man mehr als 30 000 Corona-Antikörpertests durchgeführt, erklärte Geschäftsführerin Dr. Dr. Saskia Biskup. Der von der Firma verwendete ELISA-Test könne sogenannte IgG-Antikörper nach zwei bis drei Wochen im Blut nachweisen.
Der Zeitpunkt der Testung spiele eine entscheidende Rolle, sagte Dr. Angelika Haage von der Mediagnost GmbH, ein Biotechnologieunternehmen mit Sitz in Reutlingen, das ebenfalls Antikörpertests anbietet. Vier bis fünf Wochen nach der Infizierung sei das Ergebnis am eindeutigsten. »Aber es gibt Patienten mit schwachen Symptomen ohne positive Antikörper.« Auf die Frage, ob es für Firmen sinnvoll sei, die Belegschaft auf das Coronavirus zu testen, sagte sie: »Wenn, dann ganz regelmäßig, mindestens wöchentlich.« Für »Menschen an vorderster Front«, wie Pflegekräfte, sei es sinnvoll, ergänzte Professor Dr. Arnulf Stenzl von der Klinik für Urologie Tübingen. Er sprach »ein Thema, das man nicht gleich mit Corona verbindet«, an: die Rolle von Körperausscheidungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Erkrankung. Ein großer Teil der Corona-Patienten hätten Viren im Urin. Fraglich seien die Übertragung durch Ejakulat und die Auswirkung einer Erkrankung auf die Fortpflanzungsfähigkeit. Hormone könnten eine Rolle spielen beim Krankheitsverlauf.
Professor Dr. Hans-Georg Rammensee von der Universität Tübingen, ist ein weltbekannter Wissenschaftler im Bereich der Immunologie im Kampf gegen Krebs. Er betonte die Bedeutung von T-Zellen, den Wächtern des Immunsystems, zur Bekämpfung von Krankheitserregern. Rammensee hat sich die T-Zellen bei 180 Coronainfizierten angeschaut und festgestellt, dass Menschen mit milden Symptomen die besten T-Zellen aufwiesen. Vor diesem Hintergrund habe er einen Impfstoff entwickelt, der im Selbstversuch gut funktioniert habe. Die Genehmigung und Finanzierung einer Impfstudie lasse allerdings auf sich warten. In einer Folgestudie sollen infizierte, ältere Menschen geimpft werden, um den Krankheitsverlauf abzuschwächen. (GEA)