REUTLINGEN. Die Krisenberatungsstelle des Arbeitskreises Leben (AKL) bietet ab Januar einmal im Monat eine fortlaufende und angeleitete Trauergruppe an, die speziell für Hinterbliebene gedacht ist, die einen Menschen durch Suizid verloren haben. Der Suizid eines Familienmitglieds trifft Angehörige und Freunde meist wie ein Blitz aus heiterem Himmel und für die, die zurückbleiben, ist nichts mehr, wie es vorher war. Schock, Fassungslosigkeit, nicht selten ein Gefühl von Scham machen sich breit.
Die Hinterbliebenen von Suizidopfern stehen ganz besonderen Belastungen gegenüber. Sie müssen den für sie unfassbaren Verlust des geliebten Menschen verkraften und werden häufig mit Schuldgefühlen konfrontiert, etwas versäumt oder nicht gesehen zu haben. Und viele Betroffene haben Schwierigkeiten, sich mit anderen über das Geschehene auszutauschen: »Ich machte nach 60 Jahren zum ersten Mal in meinem Leben die Erfahrung, wie erleichternd und befreiend es ist, in einer Betroffenengruppe ohne Scham und Tabu über den Suizid meines Vaters, der auch meine Mutter mitnahm, zu sprechen«, berichtet Annette Félix, die als Zehnjährige ihre Eltern verlor.
Völlig aus dem Gleichgewicht
Jedes Jahr setzen in Deutschland etwa 10 000 Menschen ihrem Leben ein Ende. Während bei Prominenten das Medienecho und das öffentliche Aufsehen groß ist, sind die meisten Angehörigen und Hinterbliebenen mit ihrer Trauer und Hilflosigkeit allein. Eine mögliche Folge: Der Körper und die Seele geraten gleichermaßen aus dem Gleichgewicht, ein normales Leben scheint kaum noch vorstellbar. »Bei Suizid ist es für die Hinterbliebenen sehr schwierig, über die eigenen Gefühle zu reden, da das Thema in der Gesellschaft noch immer mit einem Tabu belegt ist«, erklärt Diplom-Pädagogin Bettina Guhlmann, die den Arbeitskreis zusammen mit ihrer Kollegin Kerstin Herr leitet.
Zudem steuerten Hinterbliebene, die mit dem Freitod konfrontiert werden, nur in den seltensten Fällen eine Anlaufstelle an, da es viel Kraft und Mut kostet, sich der Verzweiflung, Wut, Einsamkeit und den aufkommenden Schuldgefühlen zu stellen. Aus diesem Grund erweitert der Arbeitskreis Leben seine Einzel-, Paar- und Familienbegleitung durch eine fortlaufende Trauergruppe. Sie trifft sich am Samstag, 19. Januar, von 10 bis 17 Uhr und danach einmal im Monat immer dienstags von 18.30 bis 21 Uhr in den AKL-Räumen. Zunächst sind acht Termine geplant und die Teilnehmerzahl ist auf zwölf Personen begrenzt.
Verlust im Mittelpunkt
Die Trauergruppe soll auf jeden Fall weitergeführt werden, sind sich die beiden Fachkräfte der Krisenberatungsstelle einig. Die Teilnahme kostet 90 Euro für Verdienende, »am Geld soll die Teilnahme aber nicht scheitern«, betont Bettina Guhlmann.
Es gehe in der Gruppe »nicht um den Suizid selbst, sondern der Tod und Verlust des geliebten Menschen steht im Mittelpunkt«, betont Bettina Guhlmann. Für Annette Félix ist das Mitgefühl und Verständnis, das jedem in der Gruppe zuteilwird, wichtig: »Denn der Austausch unter Betroffenen hilft auch Hoffnung zu schöpfen – Hoffnung auf Bewältigung dieses Schicksalsschlages in irgendeiner Form.«
Interessenten können sich per Mail oder telefonisch an die Krisenberatungsstelle Reutlingen wenden. (GEA)
07121 19298 akl-reutlingen@ak-leben.de