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Nach Dirndl-Fete in Sickenhausen: So gefährlich sind K.o.-Tropfen

Zwei Frauen wird auf der Dirndl- und Lederhosengaudi in Sickenhausen mutmaßlich K-o.-Tropfen verabreicht. Wie oft das im Landkreis Reutlingen vorkommt, was die Substanzen so gefährlich macht und wie man sich schützt.

K.o.-Tropfen werden in ein Glas gekippt.
K.o.-Tropfen werden in ein Glas gekippt. Foto: Nicolas Armer
K.o.-Tropfen werden in ein Glas gekippt.
Foto: Nicolas Armer

REUTLINGEN. Es sollte eine rauschende Party werden. Doch für zwei Frauen endet die Sickenhäuser Dirndl- und Lederhosengaudi im Krankenhaus. Auf dem Festgelände werden die beiden in der Nacht auf Samstag zunächst medizinisch betreut. Beide sind alkoholisiert, die Polizei ermittelt jedoch wegen des Verdachts der Verabreichung einer unbekannten Substanz. Ein männlicher Gast wird vor Ort überprüft, ein Tatverdacht erhärtet sich jedoch nicht. Die Polizei bittet um Zeugenhinweise. Ob der 21- und der 40 Jährigen wirklich K.o-Tropfen verabreicht wurden, ist auch nach dem Wochenende noch nicht abschließend bestätigt, sagt Martin Raff, Pressesprecher der Reutlinger Polizei.

Was sind K.-o.-Tropfen?

Bei K.o.-Tropfen kann es sich um Medikamente (Narkose- und Beruhigungsmittel) oder um sogenannte Partydrogen wie GHB (Gammahydroxybutyrat) oder GBL (Gammabutyrolacton) handeln. Das schreibt die Polizei Baden-Württemberg in einem Präventionsflyer. GHB unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz. GBL ist eine chemische Substanz, die als Lösungs- und Reinigungsmittel vielfältig verwendet wird. In der Partyszene ist GBL/GHB zum Eigenkonsum verbreitet und als Liquid Ecstasy, Liquid X, Liquid E, Fantasy, Soap oder G-Juice bekannt. K.o.-Tropfen sind meist farb- und geruchlos. Der leicht salzige oder seifenartige Geschmack ist Cocktails oft nicht wahrnehmbar.

Wie wirken sie?

Die Wirkung von K.o.-Tropfen setzt nach 10 bis 20 Minuten ein und kann mehrere Stunden lang anhalten. Dabei kann es zu Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Atemnot, Kopfschmerz, Krampfanfälle, Muskelkrämpfe und Verwirrtheit kommen. Die Symptome variieren von Person zu Person und werden auch durch den Misch-Konsum mit Alkohol beeinflusst. Opfer haben häufig keine oder nur vage Erinnerungen an das, was passiert ist. Bei Überdosierung kann es sogar zu Koma und tödlicher Atemlähmung kommen. Betroffene berichten auch Tage nach Verabreichung noch über Konzentrationsstörungen.

Wer ist gefährdet?

K.o.-Tropfen werden laut Polizei besonders häufig in Diskotheken, Bars, Clubs, auf Partys und Festen heimlich in Getränke geträufelt. Opfer sind oft Frauen, die willenlos gemacht werden, um sie sexuell zu missbrauchen. Doch die Substanzen werden auch Männern verabreicht, mit dem Ziel, sie auszurauben.

Wie viele Fälle gibt es im Landkreis Reutlingen?

Im Landkreis Reutlingen gingen bei der Polizei zwischen September 2022 und 2023 rund zehn Meldungen über eine Verabreichung von K.o.-Tropfen ein. »In keinem dieser Fälle konnte das jedoch endgültig nachgewiesen werden«, sagt Martin Raff. Die Geschädigten seien überwiegend weiblich. Eine Aussage über Zu- oder Abnahme der Delikte sei im Prinzip kaum möglich, da sich in den Jahren 2020 und 2021 durch coronabedingte Lockdowns deutlich weniger Gelegenheiten ergeben hätten.

Wie kann man sich schützen?

Um die Wahrscheinlichkeit einer Vergiftung mit K.o.-Tropfen zu minimieren, rät die Polizei Feiernden, ihre Getränke selbst bei der Bedienung zu bestellen und entgegenzunehmen. Wichtig sei außerdem, keine offenen Getränke von Fremden anzunehmen und offene Getränke nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Höchste Vorsicht sei geboten, wenn es einer Person plötzlich schlecht geht und Unbekannte sie aus dem Raum bringen wollen. Freunde sollten grundsätzlich aufeinander achten.

Was ist im Ernstfall zu tun?

Besteht der bloße Verdacht, dass einer Person K.o.-Tropfen verabreicht wurden, sollte sofort das Personal verständigt sowie medizinische Hilfe gerufen werden. Die Polizei empfiehlt in diesem Fall den Notruf 110 zu wählen. »Nur durch eine Anzeige wird es möglich, Täter zu ermitteln und mögliche weitere Opfer vor Schaden zu bewahren.« Dafür sei es wichtig, möglichst schnell Blut und Urin auf K.o.-Tropfen zu untersuchen, da diese Substanzen nur bis zu zwölf Stunden nach Konsum nachzuweisen sind. Anlaufstelle für Betroffene sind auch die örtlichen Frauennotrufe und Beratungsstellen, wie etwa der Weisse Ring in Reutlingen.

Welche Strafen drohen Tätern?

Bei der Verabreichung von K.o.-Tropfen können laut Polizei verschiedene Straftatbestände erfüllt sein: Gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, versuchte oder vollendete Vergewaltigung sowie Verstöße gegen das Betäubungsmittel- oder Arzneimittelgesetz. Die Betäubung an sich stelle eine gefährliche Körperverletzung gemäß Paragraf 224 des Strafgesetzbuchs dar und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden. (GEA)