REUTLINGEN. »Damit die Zecke im Winter nicht überleben kann, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch mal wochenlang andauern. Da tiefe Temperaturen von minus 15 Grad durch den Klimawandel selbst in den Alpen immer seltener werden, sind die Zecken auch in den Wintermonaten aktiv«, warnt Professorin Ute Mackenstedt vom Fachgebiet Parasitologie der Universität Hohenheim. Der Klimawandel begünstige die Ausbreitung von Zecken und damit das Auftreten der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
Der Süden Deutschlands ist ein Hotspot, mehr als 80 Prozent der FSME-Fälle werden in Bayern und Baden-Württemberg entdeckt. FSME geht auf Viren zurück, die durch Zeckenstiche übertragen werden können. Bei der Erkrankung können sich Hirnhaut, Gehirn und Rückenmark entzünden. Im Jahr 2020 wurde der bisherige Höchststand an gemeldeten FSME-Infektionen registriert: 717 Fälle hatte das RKI bundesweit zu verzeichnen. 2022 waren es 546, weniger als im Rekordjahr, aber deutlich mehr als 2021 mit 421 FSME-Erkrankungen. Im Landkreis Reutlingen gab es 2022 acht, 2021 neun und im Spitzenjahr 2020 17 Fälle. Aber als Krankheit sollte die FSME nicht unterschätzt werden, warnt der Mikrobiologe Professor Gerhard Dobler, Leiter des nationalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.
Vorbeugen gegen Zecken
Zum Schutz gegen FSME empfehlen Fachleute unbedingt die wirksame Impfung, die der Hausarzt verabreichen kann. Empfohlen wird, dass auch Kinder geimpft werden sollen. Wie man sich vor Zecken schützen kann? »Lange Hosen tragen und sie in die Socken zu stopfen, um Hautkontakt zu vermeiden«, lautet die Empfehlung von Gerhard Dobler, Leiter des nationalen Konsilialabors für FSME. Ansonsten gilt: Den Körper immer wieder absuchen, wenn man durchs Gras streift. Experten raten noch, die Zecke möglichst schnell zu entfernen. Denn: Je länger die Zecke an der Haut hängt, desto mehr Erreger kann sie übertragen. Die Bissstelle zu markieren hilft vor allem bei der Diagnose einer Borrelioseinfektion: Die Wanderröte auf der Haut ist ein wichtiges Indiz für die Erkrankung. Die Blutsauger finden sich öfter in Kniebeugen, Achseln oder in den Haaren.
FSME-Infektionen bei Menschen sind in Deutschland meldepflichtig. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Fälle in Deutschland zwar nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von 627 Fällen im Jahr zuvor auf 527 Fälle gesunken. In Baden-Württemberg gingen die FSME-Fälle von 209 auf 143 zurück. »Die Entwicklung ist trügerisch«, sagt Rainer Oehme, der Laborleiter des Landesgesundheitsamts im baden-württembergischen Gesundheitsministerium. »Der längerfristige Trend zeigt deutlich nach oben.«
Betroffene Altersgruppen
Nicht alle Altersgruppen sind gleich betroffen. Nach dem 40. Geburtstag steigt das Risiko einer Erkrankung. Die höchste Inzidenz (Fälle pro 100 000 Einwohner) weist die Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren auf. Wobei Männer deutlich häufiger an FSME erkranken als Frauen. Recht stark betroffen sind auch Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren. Hier liegt die Inzidenz bei Jungs bei 2,4, im Teenageralter sinken die Inzidenzen auf die Hälfte.
Zecken übertragen zudem in Deutschland neben FSME etwa auch die von Bakterien verursachte Lyme-Borreliose. Gegen Borreliose gibt es keine Impfung, sie ist aber gut mit Antibiotika zu behandeln, wenn sie rechtzeitig erkannt wird.
Wissenschaftliche Fachtagung steht an
Experten kommen in der nächsten Woche (26.-28.2.) zu einer wissenschaftlichen Fachtagung in Stuttgart zusammen. Auf dem 7. Süddeutschen Zeckenkongress beraten sie über biologische, epidemiologische und ökologische Aspekte von Zecken und die von ihnen übertragenen Krankheitserreger und stellen Studienergebnisse vor. Der Kongress findet an der Universität Hohenheim statt. (ifi/wu/dpa)