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Aktuell Mieterbund

Kampf gegen »Mietenwahnsinn«

Thomas Keck verabschiedet. Harsche Worte des Vorsitzenden Karl Böhmler zum Vorwurf der Parteipolitik

Geehrt wurden für 25 und 40 Jahre Mitgliedschaft von Karl Böhmler (Zweiter von links) und Willi Gödde (rechts): Christos Rousnid
Geehrt wurden für 25 und 40 Jahre Mitgliedschaft von Karl Böhmler (Zweiter von links) und Willi Gödde (rechts): Christos Rousnidis, Herbert Beilschmidt, Harald Hafner und Dr. Bernhard Epping (von links). FOTO: LEIPOLD
Geehrt wurden für 25 und 40 Jahre Mitgliedschaft von Karl Böhmler (Zweiter von links) und Willi Gödde (rechts): Christos Rousnidis, Herbert Beilschmidt, Harald Hafner und Dr. Bernhard Epping (von links). FOTO: LEIPOLD

REUTLINGEN-BETZINGEN. Der Vorstand des Mieterbundes Reutlingen-Tübingen ist einstimmig entlastet, da findet in der Julius-Kemmler-Halle der Vorsitzende Karl Böhmler harsche Worte: Der Brief des Mieterbundes an seine Mitglieder Anfang des Jahres, in dem der Verein die Kandidatur von Thomas Keck zum Oberbürgermeister unterstützte, sei keineswegs parteipolitisch, sondern eine »mieter- und sachpolitische Mitteilung gewesen«, betonte er. Ein ehemaliges Mitglied hatte deswegen Strafanzeige gegen den Mieterbund erstattet.

»Es ist Recht, anzuzeigen, was unrecht ist«, sagte Böhmler, ließ das aber nicht für den Brief gelten. Die Anzeige habe dazu geführt, dass Kriminalbeamte die Geschäftsstelle in der Gerberstraße »stürmten«, sämtliche Computer beschlagnahmt, Vorstandsmitglieder verhört wurden und die Arbeit für fünf Tage ruhen musste. »Der Schaden ist um ein Vielfaches höher als die 500 Euro Porto«, ärgerte sich Böhmler sichtlich und sprach weiter von einem »Rachefeldzug gegen den Mieterbund«, den sich jemand Unbekanntes »was kosten lässt«.

»Der Schaden ist um ein Vielfaches höher als die 500 Euro Porto«

Zuvor freute sich Karl Böhmler in seinem Geschäftsbericht über 100 neue Mitglieder. Der Mieterbund hat im vergangenen Jahr zumeist wegen der Nebenkosten beraten, an zweiter Stelle wegen Wohnungsmängeln, die von einem tropfenden Wasserhahn bis zur Unbewohnbarkeit reichten. »Schimmel in der Wohnung nimmt einen traurigen Spitzenplatz ein.«

Sorgen bereitet ihm die Entwicklung der Mieten. Die Angebotspreise würden nicht nur in den Ballungsgebieten rasant ansteigen. »Die Mietpreisbremse ist wegen ihrer Kompliziertheit und den vielen Ausnahmen nicht gegen den Mietenwahnsinn angekommen.« Er pochte darauf: »Ein Dach über den Kopf zu haben ist so elementar wie Essen und Trinken.« Weshalb er Spekulationen rund um Mietobjekte als »unanständig und widerwärtig« bezeichnete. Weiter beschäftigen werde den Mieterbund deshalb die Wohnungsnot in Ballungsgebieten.

»Das Problem der Wahnsinnsmieten könnte über eine Gesetzesänderung abgeschwächt werden«, sagte Karl Böhmler. Große Erwartungen setzt er dabei auch auf Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck, der »seinen Arbeitsplatz von der Gerberstraße zum Rathaus verlegt hat«. Er hoffe auf Impulse in der städtischen Wohnungspolitik und dass er seine wertvollen Verbindungen in Stadt und Kreis nutze.

Schließlich nutzte Thomas Keck die Mitgliederversammlung, um in diesem Rahmen die Wohnungssituation kritisch zu betrachten. 22 Jahre lang hatte er die Geschäftsführung inne. »Eine Identifikation mit dem Verein und der Aufgabe und etwas Können, dann läuft das«, resümierte Keck und unterstrich dabei, dass gemeinschaftlich viel erreicht worden sei. Doch statt auf die zwei Jahrzehnte seiner Tätigkeit zurückzublicken, gestand er ein: »In Reutlingen wie in allen großen Städten sind wir von der Wohnungsnot schwer geschlagen.«

»Auch 2018 sind mehr Sozialwohnungenherausgefallen als neu gebaut wurden«

Die lange Warteliste der Reutlinger Wohnungsgesellschaft GWG sei unbefriedigend. Bei einer Preissteigerung von 20 Prozent bei Neuvermietungen frage sich, wer das bezahlen könne. »Das Leben bleibt auf der Strecke, wenn man fünfzig Prozent seines Einkommens für Wohnen aufbringen muss.«

Thomas Keck beklagte Politikerversagen »auf allen Ebenen« und forderte, dass Wohnen in den kommenden Jahren eine soziale Verantwortung in Deutschland sein müsse. »Auch 2018 sind mehr Sozialwohnungen herausgefallen als neu gebaut wurden, das ist ein Skandal«, sagte er.

Förderprogramme würden nicht voll abgeschöpft, etwa bei der Landeswohnungsförderung, da blieben 100 Millionen Euro übrig. Die GWG müsse »bauen, was geht«. Dem Mieterbund Reutlingen-Tübingen bleibe er verbunden, ebenso anderen Organisationen, in denen er sich engagierte, denn er wolle, so Keck, weiterhin wissen, was die Leute wirklich bewege. (GEA)

 

GEEHRTE MITGLIEDER

Auf der Versammlung des Mieterbundes sind für 25 Jahre Mitgliedschaft Christos Rousnidis, Lutz Berger, Harald Hafner und Dr. Bernhard Epping sowie für 40 Jahre Mitgliedschaft Herbert Beilschmidt geehrt worden. Verabschiedet wurde außerdem Renate Oberst, die die Leitung der Lohnbuchhaltung inne hatte. (ale)