REUTLINGEN/TÜBINGEN. Waren Sie mehr der Lego-Typ früher oder haben Sie die Straße mit Kreide bunt gefärbt? Haben Sie Baumhäuser gebaut oder lieber auf Kochtöpfen getrommelt? So oder so: Die Kindheit hat sich auch in Ihre Persönlichkeit unauslöschlich eingegraben. Zeit also, zu diesen Wurzeln einmal zurückzukehren!
Jakob Nacken und Meike Waser laden zu so einer Reise in die Kindheit in ihrem Programm »Raus bist du noch lange nicht«. Und das Publikum darf mitreisen, am 30. Juni um 19 Uhr im Oertel + Spörer-Saal beim zweiten Termin des Jahres in der GEA-Reihe »Kultur – klein, fein und fast geheim«, die der GEA unterstützt von der Kreissparkasse Reutlingen organisiert. Mit Songs und Liedern, mit Dialogen, Szenen, Gedichten, Texten. Natürlich sind die unvermeidlichen Blockflöten dabei und auch das Glockenspiel. Aber auch Akkordeon, Querflöte, Klavier, allerhand Rhythmusgerät. Und sogar ein selbst gebasteltes Ein-Saiten-Cello. Denn auch das gehört zur Kindheit, dass man versuchsweise alles selbst fabrizieren muss. Da wird der Tennisschläger kurzerhand zum E-Gitarren-Ersatz, Mutters Schneebesen zum Drumstick.
Die beiden Künstler versprechen: Es wird lustig, es wird unterhaltsam, es wird auch mal albern, aber auch anrührend und nachdenklich. Denn hinter allem steht die Frage: Wer waren wir damals? Und wer sind wir heute? Und wie viel von dem Kind von damals steckt jetzt noch in uns? Und warum lassen wir nicht mehr davon raus?
Von albern bis anrührend
Es war der Kontakt mit Kindern, der Nacken und Waser auf die Idee gebracht hat. Es ist schon ein paar Jahre her, Nackens Kinder waren noch klein, Waser hatte als Erzieherin in einem Tübinger Kindergarten jeden Tag Kids um sich herum. Warum also nicht was über die Kindheit machen? Schnell war klar: Es soll ein Programm für Erwachsene werden. Denn für Kinder sei die Kindheit ja nichts Besonderes, wie der Nehrener Nacken erklärt. Für die Erwachsenen hingegen ist sie eine Traumwelt voll lustiger, trauriger, aufregender, manchmal auch beklemmender Erinnerungen. Je nachdem also Angst- oder Sehnsuchtsort – einer jedenfalls, der keinen kalt lässt.
Kennengelernt haben sich Nacken und Waser über ihren gemeinsamen Tübinger Gesangslehrer Freddy Wilkes, genauer gesagt bei einem Workshop von ihm. Meike Waser war zuvor schon öfter als Sängerin aufgetreten, zunächst im Raum Ulm, mit der Band Jazz Orange, aber auch solo oder mit Klavierbegleitung. Nacken, der vom Kabarett und Improtheater herkommt, hatte auch schon immer Musik in seinen Programmen. Nun wollten sie was gemeinsam machen. Es habe lange gebraucht, bis sie ihr gemeinsames Thema gefunden hatten, erzählen sie. Die Tragik: Als sie im März 2020 mit dem Programm »Raus bist du noch lange nicht« starteten, kam nach zwei Aufführungen der Corona-Lockdown.
Erinnerungen werden wach
Jetzt sind sie also wieder unterwegs damit. Und die ersten Aufführungen haben gezeigt, dass ihr Thema etwas auslöst beim Publikum. »Da kam zum Beispiel ein Mann nach der Vorstellung und hat gesagt: Genau das haben wir früher auch immer gespielt!«, erzählt Nacken. Und Meike Waser erinnert sich an einen 90-jährigen Besucher mit Alzheimer-Demenz, bei dem durch das Thema Kindheit erstaunlich viel von dem Abend hängen blieb. Beide schöpfen nicht zuletzt aus eigenen Kindheitserfahrungen. Die spielen bei Nacken erst in Brühl, dann am Kölner Stadtrand, bei Waser in dem Dorf Flein im Kreis Heilbronn. Beide betonen, sie seien schüchterne, zurückhaltende Kinder gewesen. Aber welche mit Sinn für Kreativität und Lust am Rollenspiel.
Und beide haben noch gut in Erinnerung, wie sie irgendwann das Gefühl bekamen, anders zu sein als die anderen. Waser schon deshalb, weil sie dunkle Haut hatte, Nacken, weil er in Bonn zur Waldorfschule ging. Es ist die Erfahrung der eigenen Individualität – die erschrecken kann, die zu Ausgrenzung führen kann, wie bei Meike Waser aufgrund ihrer Hautfarbe: »›Was machst du überhaupt hier?‹, hieß es im Kindergarten.« Eine Erfahrung, die aber auch zur Erkenntnis der eigenen Einzigartigkeit führt. Als Reiseleiter in die Einzigartigkeit der Kindheit sind die beiden jedenfalls fachlich qualifiziert: Nacken, der heute in Nehren lebt, hat in Tübingen ein Diplom in Pädagogik gemacht, ehe er sich dem Theater zuwandte; Waser, in Wannweil wohnend, ist ausgebildete Erzieherin. Gefachsimpelt soll an diesem Abend aber nicht werden – es geht um Unterhaltung, Musik, Erinnerung, Emotionen.
Wie immer in der Reihe »Kultur – klein, fein und fast geheim« erwartet die Besucher im ersten Teil ein Geheim-Act. Auch dieser lockt mit Musik, auch bei diesem ist ein Akkordeon im Einsatz. Und auch hier geht es um Sehnsuchtswelten – nur führt die Sehnsucht hier nicht zurück in die Kindheit, sondern hinaus auf den Ozean. Und wie immer in der GEA-Reihe kommt das Kulinarische nicht zu kurz. Geboten wird vor und zwischen den Künstler-Auftritten ein veritables Drei-Gänge-Menü aus der Gastro-Schmiede von Uwe Försters Culinarium. (GEA)
KULTUR – KLEIN, FEIN …
In der GEA-Reihe »Kultur – klein, fein und fast geheim« zeigen Jakob Nacken und Meike Waser am 30. Juni um 19 Uhr im Oertel + Spörer-Saal am Reutlinger Burgplatz Auszüge aus ihrem Programm »Raus bist du noch lange nicht«. Außerdem tritt ein Geheimkünstler auf und es gibt ein dreigängiges Menü. Karten gibt es exklusiv im GEA-Service-Center am Burgplatz. (GEA) 07121 302210