REUTLINGEN. Am 15. März 1943 verließ ein Deportationszug mit württembergischen Sinti-Familien, darunter zwei Familien aus Reutlingen, Stuttgart. Sein Ziel: das Konzentrationslager in Auschwitz. Die systematische Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma gehört zu der langen Reihe grausamer Verbrechen des Nationalsozialismus. Auf den Tag genau 80 Jahre nach der Deportation gedachte der Erste Bürgermeister Robert Hahn gemeinsam mit Nachfahren, Gemeinderatsmitgliedern, Schülern und Bürgern mit einer Kranzniederlegung den beiden deportierten Sinti-Familien Reinhardt.
Im Dezember 1942 hatte Heinrich Himmler angeordnet, alle noch im Reichsgebiet und in den besetzten Gebieten lebenden Sinti und Roma in ein Konzentrationslager einzuweisen. Wenige Monate später wurde die Anordnung auch in Reutlingen in die Tat umgesetzt: Früh am Morgen des 15. März 1943 waren die 14 Sinti, viele von ihnen nicht älter als 16 Jahre, verhaftet, ins damalige Polizeigefängnis in der Museumstraße verbracht und von dort nach Stuttgart überstellt worden. »Auch 80 Jahre danach erschüttert uns das Schicksal der beiden Familien. Allein die Zugehörigkeit zu einer Gruppe hat damals ausgereicht, um gequält und umgebracht zu werden«, so Robert Hahn in seiner Gedenkansprache beim sogenannten »Zigeunerhäusle« am Willy-Brand-Platz, dem letzten Wohnort der Familien. Der Erste Bürgermeister verwies auf die Tatsache, dass die Verfolgung der Sinti und Roma in Europa zunächst kaum Anerkennung fand. Erst in den 1990er-Jahren begann die Aufarbeitung.
Gedenkstein am »Zigeunerhäusle«
Auch in Reutlingen wird seit vielen Jahren an die verfolgten Sinti und Roma erinnert – unter anderem mit einem Gedenkstein am »Zigeunerhäusle«, der 2007 auf Beschluss des Gemeinderates errichtet wurde.
Einen Beitrag zum Gedenken liefert auch die kostenlose App »Orte der NS-Zeit in Reutlingen«. Das Haus der Jugend hat darin Wissenswertes zum »Zigeunerhäusle« beigesteuert, um dem geschichtsträchtigen Ort mit zeitgemäßen Mitteln auf den Grund zu gehen. Im zum Jugendcafé gehörenden Café Gerber regen Erinnerungstafeln zum Nachdenken an. »Wir sind ein Ort der lebendigen Auseinandersetzung. Die Tafeln ermöglichen für die jungen Menschen einen Einstieg, um mit uns ins Gespräch zu kommen«, so Aylin Herrmann, Hausleiterin des Jugendcafés.
Ausstellung im IKG
Schüler des Isolde-Kurz-Gymnasiums (IKG) beteiligen sich, unterstützt von Stadtarchiv und Heimatmuseum, an einem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Ihr Anliegen: die Geschichte der Sinti in Reutlingen in einem gemeinsamen Projekt der gesamten 9. Jahrgangsstufe sichtbar zu machen. Die Ausstellung zum Projekt kann am Montag, 20. März, 19 Uhr, in der Aula des Gymnasiums besucht werden. (a)