REUTLINGEN. Die Situation in einer Branche dürfte kaum gegensätzlicher sein als bei den Fleischern: Auf der einen Seite gelingt es den Fachgeschäften, ihre Umsätze zu steigern und trotz harten Wettbewerbs Marktanteile zu gewinnen. Auf der anderen Seite verhindert der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel eine weitere Expansion in den Handwerksbetrieben, so übereinstimmend der Obermeister der Fleischer-Innung Reutlingen Jochen Rieck aus Römerstein und der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Reutlingen, Ewald Heinzelmann, bei der jüngsten Mitgliederversammlung.
Mit der wirtschaftlichen Situation des vergangenen Jahres sind die Fleischer zufrieden. Sie konnten ihre Umsätze um etwa fünf Prozent erhöhen. Auch unter Berücksichtigung der Preissteigerung verbleibt ein reales Umsatzplus. Dies ist aus mehreren Gründen nicht selbstverständlich: Der Markt für Fleisch und Wurst stagniert, ist andererseits aber sehr wettbewerbsintensiv. Dazu kommt, dass die Zahl der Betriebe im Fleischerhandwerk weiterhin sinkt. Bundesweit gibt es derzeit noch etwas mehr als 20 000 stationäre sowie 5 000 mobile Verkaufsstellen des Fleischerhandwerks. Die Umsatzzuwächse wurden insgesamt durch eine erhöhte Betriebsauslastung erreicht, nachdem die Beschäftigtenzahlen der Branche etwas zurückgegangen sind.
Viele haben aufgegeben
Die Fleischer-Innung Reutlingen zählt derzeit 29 Mitgliedsbetriebe im Landkreis. Eine Zahl, die deutlich macht, dass in den vergangenen Jahrzehnten viele Unternehmen aufgegeben haben. Hauptgrund ist der große Mangel an Fach- und Nachwuchskräften. Bei der Mitgliederversammlung erklärten zwei Drittel der Betriebsinhaber, dass sie dringend Fachkräfte in der Produktion, im Verkauf sowie Auszubildende suchen. Sie sind bereit, Asylbewerber auszubilden beziehungsweise einzustellen, was aber oft an religiösen Hintergründen und der Sprachbarriere scheitert. Insbesondere im Verkauf sind Sprachkenntnisse für eine gute Beratung zwingende Voraussetzung.
Als Grund für den großen Fachkräfte- und Nachwuchsmangel sehen die Fleischer das Image ihres Handwerkes. Nach wie vor ist die Auffassung verbreitet, dass die Tätigkeit und die Arbeitsbedingungen mit vielen Nachteilen verbunden sind. Dabei werde verkannt, dass beispielsweise viele Metzgereien nicht mehr selbst schlachten, sondern Fleisch aus Schlachtbetrieben bekommen. Gleiches gelte auch für die Arbeitszeiten und -bedingungen, die sich in den letzten Jahren sehr nachhaltig verbessert hätten. Das Fleischerhandwerk will den Berufsstand für junge Menschen attraktiv machen. Jetzt wurde wieder eine Nationalmannschaft mit Azubis und Nachwuchskräften gebildet, die sich dem Wettbewerb stellt.
Einig waren sich die Innungsmitglieder, dass die »überbordende Bürokratie« für die Betriebe ein immenses Problem darstellt. Immer mehr Dokumentationspflichten aus allen Bereichen der Betriebsführung werden verlangt.
Eine Zusatzbelastung ist die EU-Datenschutzgrundverordnung, die umgesetzt werden muss und laut Kreishandwerkerschaft-Geschäftsführer Ewald Heinzelmann, weitere bürokratische Arbeit mit sich bringt. (pm)