REUTLINGEN. Der Verein Netzwerk Kultur Reutlingen gibt nicht auf, obwohl ihm durch den fehlenden Zuschuss der Stadt Reutlingen und die damit einhergehende Streichung der geplanten Reutlinger Kulturnacht 2023 eine Basis für seine Existenz fehlt. Dennoch schaut die aktive Kerntruppe nach vorne und plant in Kooperation mit dem Haus der Kulturen und dem franz.K ein Festival anstelle einer stadtweiten Kulturnacht. Die »Hafen.Rundfahrt« am Samstag, 23. September, dauert von 13 bis 24 Uhr und beinhaltet ein Tages- und Abend-Programm mit Kultur und Catering.
Wie bei allen Aktivitäten des Vereins spielt auch diesmal Vielfalt eine große Rolle: Unterschiedliche Sparten, Künstlerinnen und Künstler, Vereine und Gruppen werden einbezogen. Tanz, Musik, Comedy, Clownereien, Kunstpavillons, das Street-Piano und das Atelier Offensiv werden dabei sein, Vereine und Gruppen aus dem Haus der Kulturen tragen Aktionen bei und Spezialitäten.
Der erste Teil findet im Freien im Echaz-Hafen auf dem Vorplatz zur Paketpost statt. Ramona Mathes präsentiert einen Querschnitt durch die Tanzszene zum Zusehen und Mittanzen. Es gibt Comedy mit Klikusch, Kunstaktionen und interkulturelle Spezialitäten von Vereinen, Live-Malerei mit Mark Krause, die »Lebende Puppe« mit Helmut Bachschuster, eine Kunstaktion mit dem Atelier Offensiv und afrikanische Mode. Es spielen Hans & Harry, Michael Rayher, Dos Pasitos, Jan Hauf, Hanna Herrlich und Band und subject:soul.
Ab 20.30 Uhr geht es im Saal des franz.K weiter, unter anderem mit den Buschläufern und Pantasonics. Das Ticket kostet 19 Euro.
»Wir hätten uns nie vorstellen können, dass die Stadt Reutlingen die Zuschüsse für die Kulturnacht streicht«, sagt Geschäftsführerin Edith Koschwitz. »Sie war für die Stadt ein sehr günstiges Event, getragen durch ehrenamtliche Arbeit und wohlwollende Sponsoren.« Eine Reihe von Partnern und Unterstützern hält dem Verein trotz der Verkleinerung die Treue. »Wir sind sehr dankbar dafür, dass unsere Partner an uns glauben und daran, dass die Kultur in Reutlingen eine Zukunft hat«, so Vorsitzender Gerhard Loew.
Es sind beziehungsweise waren drei Themen, mit denen sich das Netzwerk Kultur in die Kulturgeschichte der Stadt Reutlingen eingeschrieben hat. Neben der Reutlinger Kulturnacht wird auch der Runde Tisch Kultur vermisst, der bis 2020 regelmäßig Kulturschaffende, Politik, Verwaltung und Interessierte zum Austausch zusammenbrachte und seither auf Eis liegt.
Die dritte Konstante war ein digitales Verzeichnis von Kulturschaffenden: die Profilseite Termine-Reutlingen.de, die der Verein auf eigene Kosten eingerichtet und zehn Jahre lang betreut hatte, um dem Wunsch nach mehr Digitalisierung und Marketing im Kulturleben nachzukommen. Aus technischen und finanziellen Gründen musste das Projekt eingestellt werden, eine Neuauflage ist nicht in Sicht.
»Längst überfällige Freigabe der früheren Paketpost als Kulturpost«
»Nicht nur uns fehlen die Impulse im kulturellen Leben der Stadt«, stellt der zweite Vorsitzende Oscar Flores Santiago fest.
Dabei sei das wiederkehrende Argument fehlender Mittel nicht die einzige Ursache dafür, dass vorhandene Netzwerke und Kooperationen verschwunden sind: »Kulturschaffende sind es gewohnt, mit Sparargumenten umzugehen, aber es sollte auch Raum bleiben für Handlungsoptionen.« Eine Möglichkeit für einen dringend notwendigen Impuls wäre nach Ansicht des Netzwerks »die längst überfällige Freigabe der früheren Paketpost als Ort für Ateliers und Veranstaltungen. Dazu erhalten wir fast wöchentlich Nachfragen und sind überzeugt, dass dort in Verbindung mit dem franz.K ein wichtiges kulturelles Cluster entstehen könnte«, so Vorstandsmitglied Andreas Konitzer. Aus Sicht des Vereins sind die jahrelangen Verzögerungen bei der Umsetzung der »Kulturpost« nicht nachvollziehbar.
Der Verein Netzwerk Kultur sieht den Stellenwert der Kultur, speziell der freien Szene für die Stadt Reutlingen als unterschätzt an. Das Stadtleben profitiere von einer lebendigen Kulturlandschaft, die nicht nur durch institutionelle Einrichtungen abgedeckt werden könne. Darüber hinaus ziehe sie Gäste an, fördere das Image und die lokale Wirtschaft.
Eine lebendige Kulturszene sei keine Baumaßnahme, die verschoben oder gestrichen werden kann. Verloren gegangene Netzwerke ließen sich nicht einfach ersetzen. Edith Koschwitz: »Wir freuen uns, dass wir uns nicht entmutigen lassen und laden alle ein, beim Event ›Hafen.Rundfahrt‹ einen Tag bunten und interkulturellen Kulturlebens zu genießen«. (eg)