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Aktuell Lindenbrunnen

Eine der beliebtesten Ansichten der Stadt Reutlingen

Erst war’s ein Idyll, dann Verkehrshindernis: Der Lindenbrunnen ist 475 Jahre alt

Blick in die Vergangenheit Reutlingens: eine Szene der Wilhelmstraße samt Lindenbrunnen.  FOTO: STADTARCHIV
Blick in die Vergangenheit Reutlingens: eine Szene der Wilhelmstraße samt Lindenbrunnen. FOTO: STADTARCHIV
Blick in die Vergangenheit Reutlingens: eine Szene der Wilhelmstraße samt Lindenbrunnen. FOTO: STADTARCHIV

REUTLINGEN. Der Lindenbrunnen ist 475 Jahre alt. Er wurde im Jahr 1544 von dem Bildhauer Hans Huber und dessen gleichnamigem Sohn errichtet. Sie schufen einen fünfeinhalb Meter hohen Dreipfeilerbrunnen mit reich geschmückten Fialen, Kreuzbögen und Kreuzblume in spätgotischen Formen. Auf steinernen Wappentafeln an den Brunnenpfeilern haben sie ihre Meisterzeichen hinterlassen.

Neben seinem ursprünglichen Zweck als Teil der Reutlinger Wasserversorgung entwickelte sich der Lindenbrunnen im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen des Historismus zum beliebten Motiv für verschiedene Künstler. Der Blick in die Häuserzeile der oberen Wilhelmstraße mit dem hoch aufragenden Turm der Marienkirche im Hintergrund und dem spätgotischen Brunnen an der Einmündung in die Lindenstraße, dessen Formen perfekt mit denen der Marienkirche harmonieren, avancierte zu einer der beliebtesten Ansichten der Stadt.

Mit diesem »Paradeblick« war Reutlingen in jener Zeit selbst in internationalen Reise- und Länderbeschreibungen vertreten. Um 1858 war der Lindenbrunnen von einem Ziehbrunnen in einen Pumpbrunnen umgewandelt worden, erkennbar an dem Pumpenhäuschen in der Brunnenmitte. Mit der Einrichtung eines allgemeinen Wasserversorgungssystems 1885 in Reutlingen wurde allerdings auch der Lindenbrunnen mehr und mehr funktionslos. In den 1920er-Jahren führte er schließlich kein Wasser mehr.

Mit der Zunahme des Verkehrs in der Stadt kamen gegen Ende der 1930er-Jahre Überlegungen zur Entfernung des als nutzlos und störend empfundenen Brunnens auf, doch so weit kam es glücklicherweise nicht. 1952 entschied der Gemeinderat, den baufälligen Lindenbrunnen restaurieren zu lassen. Dafür fertigten die Bildhauerbrüder Richard und Eduard Raach eine originalgetreue Nachbildung der historischen Brunnensäulen an, die zwei Jahre später – ein weiteres Jubiläum: vor 65 Jahren – von Oberbürgermeister Oskar Kalbfell feierlich enthüllt wurden.

Das Stadtarchiv präsentiert derzeit in einer Wandvitrine vor seinen Diensträumen einige interessante Schriftstücke und Bilder zur Geschichte des Lindenbrunnens. Die kleine Ausstellung kann noch bis Ende Dezember zu den Öffnungszeiten der Rathaus-Eingangshalle besichtigt werden. (eg)