Logo
Aktuell Leben

Wohnungsnot: Neue Reutlinger GWG-Spitze soll's richten

OB Thomas Keck präsentiert das Führungsduo der Reutlinger GWG: Bruno Ruess und Lars Grüttner sollen die strategische Neuausrichtung der Wohnungsgesellschaft umsetzen.

Ganz nah an der Seite von Oberbürgermeister Thomas Keck: Bruno Ruess (links) und Lars Grüttner.
Ganz nah an der Seite von Oberbürgermeister Thomas Keck: Bruno Ruess (links) und Lars Grüttner. Foto: fop
Ganz nah an der Seite von Oberbürgermeister Thomas Keck: Bruno Ruess (links) und Lars Grüttner.
Foto: fop

REUTLINGEN. Einer zur Linken des Stadtoberhaupts, einer rechts - die Sitzordnung bei der Pressekonferenz war Programm: Oberbürgermeister Thomas Keck wünscht sich das neue Führungs-Duo der Reutlinger Wohnungsgesellschaft GWG eng an seiner Seite. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Das Eigenleben der GWG war jedoch lange Jahre geduldet.

Dass es mit dem Amtsantritt von Keck - dem einstigen Mieterbund-Geschäftsführer - vermehrt zwischen Rathaus und Kalbfell-Platz knirschte, war dann unübersehbar. Tatsächlich wurde das alte Führungsduo Klaus Kessler /Ralf Güthert zeitversetzt - aber gleichermaßen geräuschlos - »abberufen«.

Keck führte einmal mehr keine Details aus, bestätigte aber, dass er schon in seiner Zeit als SPD-Gemeinderat und GWG-Aufsichtsrat frustriert war. Eigenkapitalquote von 70 Prozent. Gewinnrücklagen von etwa 250 Millionen Euro. »Die GWG ist eine sehr gesunde Firma. Aber es kam nichts in Doing.«

»Die Unter- und Mittelschicht zu versorgen, ist unser Job als städtische Gesellschaft «

Die kaufmännische Geschäftsführung der GWG hat nun Bruno Ruess übernommen, der bereits 2022 als externer Experte an der strategischen Neuausrichtung des städtischen Unternehmens mitwirkte. Von 1993 bis 2017 war er Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK in Konstanz. Der 70-jährige Konstanzer ist nur eine Interimslösung für ein Jahr, bis ein dauerhafter Nachfolger für Ralf Güthert gefunden ist, der im Dezember den Hut von der GWG-Garderobe nehmen musste.

Neuer technischer Geschäftsführer ist seit Februar Lars Grüttner (53). Er war zuvor Prokurist bei der GWG Stuttgart, dem Wohnungsunternehmen der R+V Versicherungsgruppe. Der gebürtiger Marbacher, der schon lange in Reutlingen lebt, ist Diplom-Ingenieur und Fachmann für Holztechnik.

Mit der neuen Doppelspitze soll nun die vom Gemeinderat jüngst abgesegnete "strategische Neuausrichtung" der GWG umgesetzt werden: in dringend benötigten Wohnraum. 1.400 Wohnungen bis 2026 bauen, lautet die Marschlinie. Der OB ist sich sicher, dass dies das Unternehmen nicht überfordert - zumal nicht mit den Mitteln von Land und Bund. Denn die GWG soll, so die städtische Vorgabe, »mindestens 70 Prozent« der geplanten Wohnungen im geförderten sozialen Mietwohnungsbau schaffen.

Der neue Chef Grüttner sagt Sachen wie: »Die Unter- und Mittelschicht zu versorgen, ist unser Job als städtische Gesellschaft .« Oder: »Mindestens 70 Prozent geförderten Wohnraum bereitstellen, ist mein Antrittsziel.« Was dem OB wie Musik in den Ohren klingen mag.

Projekte der GWG

Im Folgenden sind die Baubau-Projekte der Reutlinger Wohnungsgesellschaft in den kommenden Jahren aufgeführt. Die angegebenen Baubeginn- und Fertigstellungstermine sind voraussichtliche Angaben.
Penta-Quartier: 76 Wohnungen, davon 26 gefördert, Fertigstellung Sommer 2024.
Ersbergweg, Betzingen: Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern, 12 Wohnungen, Baubeginn: 2024, Fertigstellung: 2026.
Im Hau, Sickenhausen: Neubau von vier Mehrfamilienhäusern mit 28 Wohnungen, alle gefördert, Baubeginn: 2024, Fertigstellung: 2026.
Christophstraße: Neubau eines Kinder- und Familienzentrums, Baubeginn: 2024, Fertigstellung: 2026.
Ypern-Kaserne: Insgesamt 180 Wohnungen (davon 30 in Bauherrengemeinschaft), Baubeginn ab 2026 möglich.
Tannenberger Straße: Neubau von 4 Reihenhäusern, einem Mehrfamilienhaus mit 12 Wohnungen und einem Wohngemeinschaftsgebäude mit 23 Wohnungen, Baubeginn: 2025, Fertigstellung: 2027.
Schieferterrassen: Neubau von rund 390 Wohnungen.
Orschel-Hagen-Süd: Gesamtes Quartier, rund 460 Wohnungen. Baubeginn: 2027.
Florianstraße, Metzingen: drei Mehrfamilienhäuser mit 44 Wohnungen, 17 davon gefördert, Baubeginn: 2024, Fertigstellung: 2026.

Der geförderte Wohnraum kommt Bürgern zugute, die eine Wohnberechtigung haben. Die Einkommensgrenzen dafür liegen relativ hoch: Eine Familie mit zwei Kindern und rund 70.000 Euro Jahreseinkommen käme noch in den Genuss einer geförderten Wohnung. Die drei Männer machten deutlich, dass man nicht von »Armenwohnbau« rede. Der Begriff Sozialwohnung ist aus der Mode. Ruess und Grüttner möchte die Quartiere »gut durchmischen und Ghettoisierung vermeiden«.

100 Anträge auf Landes- und Bundesmittel laufen bereits. Für geförderte Projekte gibt es einen Kredit mit null Prozent Zinsen auf 40 Jahre Bindung. Nur 20 Prozent ist als Eigenkapital aufzubringen. Doch Keck und seine neuen Mitstreiter wissen auch, dass es einen Antragsstau in Stuttgart gibt . »Wir hoffen Druck ausüben zu können und sind guten Mutes, dass wir vorankommen in Reutlingen.«

Grüttner möchte »einfach und intelligent« bauen, Hoch- statt Tiefgaragen, die Zahl der Gebäudetypen minimieren und ein Maximum an Standardisierung erreichen etwa bei der Einrichtung von Bad und WC. All das spart Kosten. Dass man »nicht für jedes Projekt einen Architekturpreis erhalten muss«, darin ist sich das Trio einig.

»Wir sind guten Mutes, dass wir vorankommen in Reutlingen«

Rund 4.500 Wohnungsanfragen stehen auf der GWG-Liste, darunter laut Bruno Ruess rund 500 Härtefälle. Neubau soll helfen, aber auch Tauschanreiz. GWG-Mieter, denen ihre alte Wohnung eigentlich zu groß ist, sollen künftig mit einer Umzugsprämie in eine kleinere gelockt werden. Dabei will man dafür sorgen, dass nicht - was oft ein Pferdefuß ist - die kleinere neue Wohnung den Mieter teurer zu stehen kommt als die größere alte. Im Pentaquartier hat die Werbung schon funktioniert. In 20 der 76 Wohnungen werden Umtauscher einziehen.

Und dann versprechen die neuen GWG-Chefs auch, was oft kritisiert wird: mehr Kundenfreudlichkeit. Bessere persönliche Ansprechmöglichkeiten nebst neuem Besprechungszimmer und längere Öffnungszeiten sollen diesem Bemühen Ausdruck verleihen.

»Die GWG ist eine sehr gesunde Firma«

Statt Blumen für die Neuen gab es Vorschusslorbeeren: OB Keck äußert bereits jetzt schon »Freude über die gute konstruktive Zusammenarbeit«. Dazu gehört auch der wöchentliche Austausch mit Baubürgermeisterin Angela Weiskopf.

Vision für Keck: Zurück zu den Wurzeln mit einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, die unter anderem Abschreibungsvorteile bringen würde und die Möglichkeit, auf Dauer preisgebundenen Wohnraum in den Bestand zu bekommen. Dies bedürfte allerdings eines Bundesgesetzes. (GEA)