REUTLINGEN. Der »Wildlife Photographer of the Year« ist der weltweit größte und bekannteste Wettbewerb für Naturfotografie. Er wurde 1965 vom BBC Wildlife Magazine ins Leben gerufen – damals erhielt die Redaktion 361 Einsendungen. Seit 1984 wird der Wettbewerb vom Londoner Natural History Museum ausgerichtet und gilt als »Oscar« der Naturfotoszene. Fotografinnen und Fotografen aus über 90 Ländern hatten ihre Motive eingesendet – fast 39.000 Bilder landeten auf den Tischen der Juroren.
Von heute an bis zum 28. Januar 2024 ist im Naturkundemuseum Reutlingen die Auswahl der von der Jury prämierten Bilder zu sehen. Der persönliche Favorit von Kulturamtsleiterin Anke Bächtiger ist das Bild »Unterwasser-Wunderland« von Tiina Törmänen aus Finnland. Es zeigt Flussbarsche, die an einem türkisfarbenen Himmel zu fliegen scheinen. Tatsächlich handelt es sich bei den bunten Gebilden um Algen, die sich aufgrund landwirtschaftlicher Abwässer zuhauf am Grunde eines Sees gebildet haben.
»Ein ganz fantastisches Bild«, wie Museumsleiterin Dr. Barbara Karwatzki findet, hängt direkt daneben: Der Unterwasserfotograf Tony Wu hatte den elektrisierenden Fortpflanzungstanz eines Leachs Seesterns abgelichtet, aus dessen fünf Armen Sperma strömt. Das Bild trägt den Titel »Sternstunde«.
Gesamtsiegerin des Jahres 2022 ist Karine Aigner aus den USA. Ihre Aufnahme »Das große Summen« zeigt eine Kugel aus Kaktusbienen, die über den heißen Sandboden von Texas wirbelt. Bis auf eine sind alle Bienen männlich, die sich mit dem einzigen Weibchen im Inneren der Kugel paaren wollen. »Außergewöhnlich ist das Foto, weil es aus der Perspektive einer Biene aufgenommen ist. Es ist auch eine Dynamik im Bild durch die noch herannahenden Männchen«, erklärt Karwatzki.
Nicht manipuliert oder gestört
Ausgezeichnet werden Bilder von Naturspektakeln in verschiedenen Kategorien wie »Tierisches Verhalten«, »Natur in der Stadt« oder »Tierportraits«. Künstlerinnen und Künstler verschiedener Altersklassen können ihre Fotografien einreichen. Voraussetzung dabei ist laut Bächtiger: »Die Natur und die Tiere dürfen nicht manipuliert oder gestört werden.« Doch nicht immer halten sich alle Einsender daran. So sind in diesem Jahr nur 99 statt der üblichen 100 Bilder im Naturkundemuseum ausgestellt, weil das Foto eines Künstlers der Kategorie »Bis 10 Jahre« nachträglich disqualifiziert wurde. Im Buch zur Ausstellung, das es im Museumsshop zu kaufen gibt, ist der »Hirsch im Winter« aber abgedruckt.
Das Cover des 160 Seiten starken Bandes »Wildlife Fotografien« zeigt einen Eisbären, der aus dem Fenster eines verfallenen Hauses schaut. Der Fotograf Dmitry Kokh aus Russland konnte die Jury sogar gleich zweimal begeistern – neben dem Titelfoto in der Kategorie »Tierportrait« hat es ein ähnliches Motiv in die Sparte »Natur in der Stadt« geschafft. »Die Prämie ist für die Gewinner meist nicht entscheidend. Aber bei diesem Wettbewerb ausgezeichnet zu werden, ist ein Meilenstein in der Karriere eines jeden Fotografen«, weiß die Kulturamtsleiterin. (GEA)