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Aktuell Rede

Die Neujahrsbotschaft von Reutlingens OB Thomas Keck

Statt Bürgerempfang gibt es in diesem besonderen Jahr eine optimistische Videobotschaft von Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck. Hier finden Sie den ganzen Text und das eingebettete Video.

Der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck setzt auf Geduld und Zuversicht. Foto: Frank Pieth
Der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck setzt auf Geduld und Zuversicht.
Foto: Frank Pieth

»Vorwärts musst du, denn rückwärts kannst du nicht mehr!« Mit diesen Worten Friedrich Schillers, liebe Reutlingerinnen und Reutlinger, begrüße ich Sie heute ganz herzlich im neuen Jahr! Sechs Tage ist es nun alt, das Jahr, und manch eine oder einer, die oder der es kaum erwarten konnte, 2020 endlich »in die Tonne zu treten«, ist vielleicht am Neujahrstag mit der ernüchternden Erkenntnis erwacht, dass es sich nicht anders anfühlt, nur weil 2021 draufsteht.

Tatsächlich sind wir leider immer noch im »Pandemiemodus«. Heute zum Beispiel, am Dreikönigstag,  würden wir uns eigentlich traditionell zum Bürgerempfang in der Stadthalle treffen. Stattdessen spreche ich vom Bildschirm zu Ihnen. Die gewohnt schwungvollen Auftaktklänge der Württembergischen Philharmonie Reutlingen fehlen ebenso wie die üblicherweise in diesem Rahmen verliehenen Verdienstmedaillen für ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger – und vom leckeren Gebäck, das uns die Vollkornbäckerei Berger sicher auch in diesem Jahr wieder nur zu gerne serviert hätte, will ich lieber gar nicht erst sprechen.

Es überwiegen Hoffnung und Optimismus

Das alles ist zu Beginn des Jahres 2021 noch nicht möglich. Und doch überwiegen zumindest bei mir in diesen Tagen die Hoffnung und der Optimismus. Ich denke, ich kann es sogar wagen, Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, schon jetzt verbindlich einzuladen zum nächsten Bürgerempfang am Dreikönigstag 2022, bei dem wir den Beginn eines neuen Jahres dann wieder genau so miteinander feiern werden wie in all den Jahren zuvor – in der Stadthalle, im angeregten Gespräch mit- und untereinander!

Denn vor wenigen Tagen hat – gewissermaßen am Oberarm einer 101-jährigen Sachsen-Anhaltinerin - auch bei uns in Deutschland eine neue Zeitrechnung begonnen: Die Ära, in der wir einem kleinen heimtückischen Virus wehrlos gegenüberstehen, neigt sich unaufhaltsam ihrem Ende zu! »Aus kleinem Anfang entspringen alle Dinge«, gab schon Cicero seinen Mitmenschen mit auf den Weg. Und auch, wenn der »kleine Anfang« der großen Impfkampagne in der EU für manch kritische Zeitgenossin und manch kritischen Zeitgenossen ein bisschen zu klein ausgefallen ist, bleibt der kleine Pieks für eine alte Dame doch ein großer Schritt für die Menschheit!

Ich jedenfalls bin zuversichtlich, dass wir schon in wenigen Monaten wieder zu dem zurückkehren können, was wir das »ganz normale Leben« nennen – und das wir schmerzlich vermissen. Mir ist klar, dass es derzeit nicht leicht fällt, sich in Zuversicht zu üben, wenn ein Angehöriger auf der Intensivstation um sein Leben ringt oder den Kampf gegen das Virus vielleicht sogar schon verloren hat. Es ist auch nicht leicht, wenn man an als Ärztin oder als Pfleger bis zur Erschöpfung an vorderster Front gegen die Erkrankung kämpft und am Ende doch die- oder derjenige ist, der den Angehörigen mitteilen muss, dass die Mutter oder der Vater nicht gerettet werden konnten.

Schwer für manche, aktuell optimistisch zu sein

Mir ist auch klar, dass es schwer ist für all jene, die vielleicht schon seit Monaten in Kurzarbeit sind, die ihren Arbeitsplatz schon verloren haben oder nicht wissen, ob sie ihn noch verlieren werden. Es ist nicht leicht für unsere Gastronomen, die teure Hygienekonzepte realisiert haben, um trotzdem schließen zu müssen, und die nicht wissen, wann sie endlich wieder Gäste bewirten dürfen. Es ist nicht leicht für alle Kulturschaffenden, die seit Monaten vergeblich auf Auftritte hoffen. Und es ist nicht leicht für unsere Einzelhändler und Dienstleister, für Eltern von Schul- und Kindergartenkindern und für diese Kinder selbst.

Es ist nicht leicht, zuversichtlich zu bleiben, aber es ist möglich. »Wer alles schwarz sieht, für den geht am Morgen die Sonne unter«, sagte einst Phil Bosmans, der als Geistlicher, Begründer von Sozialwerkstätten und Zufluchtsorten wohl so etwas wie der Gustav Werner Belgiens gewesen sein dürfte. Bei seinen Unternehmungen hat es ihm sicherlich geholfen, den Blick auf einen positiven Ausgang zu richten. Und das können wir auch, denn das Ende der Pandemie wird kommen! Es wird den Moment geben, an dem wir nach dem Einkaufsbummel ohne Maske in den Biergarten oder ins Restaurant schlendern, um dort unsere Freunde zu umarmen und anschließend ins Theater oder ins Museum zu gehen.

Und es wird diesen Moment in  nicht allzu ferner Zukunft geben. Wir benötigen nur noch ein bisschen Geduld. »Geduld, Vernunft und Zeit macht möglich die Unmöglichkeit«, reimte der Barockdichter Simon Dach bereits im 17. Jahrhundert. Wer sich geduldet, der beherrscht sich, behält einen kühlen Kopf und gibt damit auch ein gutes Beispiel für seine Mitmenschen ab. In einer Gesellschaft der Geduldigen finden Extremisten und »Querdenker« weniger Angriffsflächen, die Vernünftigen sind stärker als die Verschwörer. Das war vielleicht noch nie so wichtig wie jetzt.

Besinnung auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft

Zugegeben, bei vielem, was ich in diesen Tagen so höre, sehe und lese, kommt mir schon mal der Satz der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach in den Sinn: »Selig ist, wer nichts zu sagen hat und trotzdem schweigt.« Aber dann besinne ich mich wieder auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft, dessen verschiedene Facetten immer wieder hell aufleuchteten in den dunklen Tagen der Pandemie, der uns ein guter Begleiter war und ist. Der weitaus größte Teil der Reutlingerinnen und Reutlinger hat sich besonnen und rücksichtsvoll verhalten, hat seine eigene Freiheit eingeschränkt, um Schwächere zu schützen. Viele haben ehrenamtlich überall dort geholfen, wo Hilfe benötigt worden ist. Die große Resonanz auf unsere städtische Einkaufshilfe ist nur ein Beispiel dafür: Hunderte haben sich innerhalb weniger Tage bereit erklärt, für Angehörige von Risikogruppen einzukaufen oder andere Besorgungen zu erledigen.

Solche und ähnliche Nachrichten sind es, die mir Zuversicht verleihen.

Wenn wir alle miteinander an einem Strang ziehen, können wir in diesem, aber auch in vielen anderen Bereichen vieles bewegen. Ich persönlich bin überzeugt davon, dass in unserer Bürgerschaft viel Potenzial vorhanden ist. Gemeinwesen bedeutet, dass jede Bürgerin und jeder Bürger Teil des Ganzen ist und nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat. Wenn wir dem Miteinander wieder einen größeren Stellenwert beimessen, den Gemeinschaftsgedanken vertiefen und unsere Kräfte bündeln, können wir mehr erreichen.

2021 wird allen so manchen Kraftakt abverlangen

Das Jahr 2021 wird uns allen so manchen Kraftakt abverlangen. Nicht zuletzt, wenn es darum geht, die »Scherben« des Jahres 2020 wegzuräumen. Die Stadt wird trotz der finanziell deutlich schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen alles daran setzen, die Nachwirkungen der Pandemie für die Bürgerschaft, die Wirtschaft und die Kultur so gering wie möglich zu halten. Dazu gehört nicht zuletzt auch, die Attraktivität der Innenstadt zu erhöhen, um Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistern, die jetzt ums Überleben kämpfen, einen guten Rahmen zu bieten für ihre Rückkehr zur Normalität.

Wir werden so manches Projekt auf Eis legen müssen, weil das Geld hinten und vorne nicht reicht, aber wir werden gemeinsam mit dem Gemeinderat und der Bürgerschaft maßvolle Lösungen erarbeiten. Auch beim Klimaschutz und bei der Mobilität  wird es in diesem Jahr vorangehen. Kurz: Es wird weitergehen in Reutlingen!

Und deshalb will ich es nicht versäumen, Ihnen auch fürs Jahr 2021 ein herzliches »Prosit Neujahr!« zuzurufen und Ihnen damit nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinne zu wünschen, dass Ihnen 2021 zuträglich sein, dass es Ihnen besonders viel Gutes bringen möge!

Herzlich,

Ihr Thomas Keck