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Aktuell Wohnen

Die GWG Wohnungsgesellschaft Reutlingen feiert ihren 70. Geburtstag

Rückblick auf bewegende Zeiten

Orschel-Hagen Anfang der 1960er-Jahre, ein Kind der GWG Reutlingen
Orschel-Hagen Anfang der 1960er-Jahre, ein Kind der GWG Reutlingen: Das Wohngebiet entstand in zehn Bauabschnitten mit insgesamt 3 000 Wohnungen. Foto: GWG
Orschel-Hagen Anfang der 1960er-Jahre, ein Kind der GWG Reutlingen: Das Wohngebiet entstand in zehn Bauabschnitten mit insgesamt 3 000 Wohnungen.
Foto: GWG

REUTLINGEN. Wie wollen Menschen wohnen? Die Bedürfnisse ändern sich und mit ihnen die GWG Wohnungsgesellschaft Reutlingen. Die Stadt soll eingreifen: So jedenfalls stellen sich die Kommunalpolitiker eine Umstrukturierung der städtischen Tochter vor, die im nächsten Jahr über die Bühne gehen soll. Die Frage ist, wohin die Reise geht. Nach 70 Jahren – so alt ist die GWG Reutlingen nämlich – lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.

Die Geburtsstunde der GWG Reutlingen liegt in einer Zeit bitterster Wohnungsnot. Tausende Wohnungen waren nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört. Viele Reutlinger hatten kein Dach über dem Kopf. Und mit den aus den deutschen Ostgebieten kommenden Flüchtlingen mussten alle noch enger zusammenrücken. Helfen konnte nur eines: Wohnungen bauen und nochmals Wohnungen bauen.

Am 11. Mai 1951 war es so weit: Die Stadt, die Kreisbaugenossenschaft und die vier Industriebetriebe Stoll, Wangner, Finckh und Egelhaaf unterzeichneten den Gründungsvertrag der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft mbH. Denn der Bau sollte finanziell durch Privatunternehmen abgesichert sein. Die Stadt steuerte somit das Baugeschehen aktiv. Davon versprachen sie sich die beste Effizienz der staatlichen Wohnungsbaupolitik und -förderung der Achalmstadt.

Start in Betzenried

Ab dem Beginn des Aufschwungs der örtlichen Wirtschaft verlief die Wohnungsbauentwicklung in Reutlingen geradezu stürmisch: Rund ein Drittel der gesamten Nachkriegswohnungen entstanden durch die GWG Reutlingen.

Den Auftakt für den großen Wohnungsbau machte 1951/1952 Betzenried: 500 Wohneinheiten entstanden. Es folgte die Bebauung des Vollen Brunnens, von Ringelbach und Storlach, der Römerschanzsiedlung und der Betzinger Karlshöhe.

Orschel-Hagen entstand mit zehn Bauabschnitten und 3 000 Wohnungen in den 60er-Jahren. Der Hohbuch gesellte sich in den 70ern hinzu. Das Wohngebiet Mähder und der Schafstall waren in den 80er- und 90er-Jahren Bauschwerpunkte.

Die Umbrüche nach der politischen Wende 1990 brachten tief greifende Einschnitte mit sich. Hatten ab Mitte der 90er-Jahre viele Bewohner den Neubaugebieten in der Stadt den Rücken gekehrt, folgte rund zwei Jahrzehnte später der umgekehrte Trend zurück in die Stadt.

Jetzt – beinahe 30 Jahre später, investiert die GWG Reutlingen 500 Millionen Euro in den Bau von 1 500 neuen Wohnungen in den kommenden Jahren. »Heute sind die Anforderungen an den Wohnraum hochkomplex. Das ursprüngliche Ziel der GWG Reutlingen aber ist geblieben: Guten, bezahlbaren, sicheren Wohnraum zu fairen und sozialverträglichen Preisen zur Verfügung zu stellen«, sagt Ralf Güthert, Geschäftsführer der GWG Reutlingen. Seit 1951 baute die GWG insgesamt 7 617 Mietwohnungen, 2 498 Eigentumswohnungen und 6 004 Eigenheime. Nahezu 100 Prozent der Wohnungen sind vermietet, pro Quadratmeter Wohnfläche zahlen die Mieter aktuell im Durchschnitt 5,80 Euro.

Jahr für Jahr werden im Durchschnitt 38 Millionen Euro in die Erhaltung des Bestandes investiert: Von Sanierung und Modernisierung bis hin zur Gestaltung des Wohnumfeldes. »Neben dem Kerngeschäft, der Wohnraumvermietung, nimmt die GWG ihre soziale Verantwortung sehr ernst und setzt sich neben verschiedenen sozialen Projekten insbesondere für den Klimaschutz ein«, so Ralf Güthert. »Gemeinsam mit der Stadt hat sich die GWG auf den Weg in eine klimaneutrale Zukunft gemacht.«

Um all das zu erreichen – Marktfähigkeit, eine konsequente Kundenorientierung und eine hohe soziale Kompetenz – war mehr als nur eine Umstrukturierung und Neuausrichtung in der Vergangenheit erforderlich. Die GWG musste auf unterschiedliche Gesellschaftsordnungen, verschiedene Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen reagieren. »Kompass bei all diesen Entscheidungen waren und sind die Werte und Prinzipien, die das Unternehmen seit jeher ausmachen«, erklärt Güthert.

Geänderte Anforderungen

Die strategischen Ziele der GWG wurden zuletzt im Jahr 2018 anlässlich der »Wohnbauflächenoffensive 2025« zur Umsetzung der städtischen Wohnungspolitik festgelegt. Ziel ist, »die GWG als kommunales Wohnungsunternehmen in die Lage zu versetzen, ihren wohnungspolitischen Auftrag bestmöglich auf die Wohnraumpolitik der Stadt Reutlingen abzustellen«, sagt Thomas Keck. Mitte nächsten Jahres soll die GWG so aufgestellt sein, »dass das Unternehmen sowohl der Erfüllung des öffentlichen Zwecks als auch ihrer wirtschaftlichen Betätigung gerecht werden kann«, so der Reutlinger Oberbürgermeister.

Die Entscheidung über die Ausrichtung der GWG ist allerdings Angelegenheit der Reutlinger selbst: Dem Gemeinderat werden die Ergebnisse der Studie und deren Folgerungen daraus zur Beratung vorgelegt.

Wohin die Reise geht, wollen die Grünen und Unabhängigen gemeinsam mit den Linken mit einem Zwölf-Punkte-Plan beeinflussen. Wie berichtet, soll die GWG demnach deutlich mehr Sozialwohnungen bauen. Die beiden Fraktionen sprechen von einer Schlagzahl von 200 neuen GWG-Wohnungen pro Jahr. Die Sozialbindung soll maximal ausgeschöpft werden, die Vergabe vorrangig an sozial Schwache erfolgen. Andere Fraktionen sind deutlich zurückhaltender. Umstrukturieren wollen alle. (eg/co)