REUTLINGEN. Die Lage, sagt Stadtbranddirektor Harald Herrmann, ist katastrophal. Gemeint sind die vom Hochwasser verwüsteten Städte und Gemeinden im Ahrtal, deren Einwohner »physisch und psychisch am Ende sind«. Noch immer suchen dort Familien nach Kindern, lässt die zerschlagene Infrastruktur vielerorts keine Kommunikation mit Verwandten zu. Und auch wenn, so Herrmann, »die Gefahrenabwehr inzwischen abgeschlossen« sei und das große Aufräumen und Instandsetzen beginne, herrsche in Rheinland-Pfalz nach wie vor der Ausnahmezustand.
»Jede helfende Hand«, hat der Leitende Reutlinger Stadtbrandmeister mit eigenen Augen gesehen, »wird dort gebraucht« – in einem Gebiet, wo Hunderten, wenn nicht gar Tausenden obdachlos gewordener Menschen oft wenig mehr geblieben ist als die Kleider, die sie am Leibe tragen; wo sich zweihundert Meter lange und sechs Meter hohe Müllberge auftürmen und – nicht zuletzt der vielen Ratten wegen – Seuchengefahr droht.
Sechs Meter hohe Müllberge
Deshalb ist Herrmann sehr froh, dass sich eine stattliche Zahl freiwilliger Floriansjünger gefunden hat, die heute gegen 11 Uhr per Konvoi Richtung Katastrophengebiet aufgebrochen ist, um dortselbst Kollegen der baden-württembergischen Berufsfeuerwehren, die bereits seit 16 Tagen im Krisengebiet wirken, tätig zu unterstützen: bei der Wiederherstellung von Infrastruktur, dem Legen von Trinkwasserleitungen, beim Pumpen, Freilegen von Bachläufen oder der Beseitigung von Schlamm und Schutt.
Zwei Einsatzzüge »Hochwasser« mit zehn Fahrzeugen und vierzig Kräften aus Reutlingen, Oferdingen, Gönningen, Pfullingen, Engstingen und Lichtenstein sind es, die von Harald Herrmann, Oberbürgermeister Thomas Keck und dem Verwaltungsdezernenten des Landkreises, Gerd Pflumm, verabschiedet wurden. Und zwar ins Ungefähre hinein. Zumal heute Vormittag noch keiner präzise zu sagen wusste, in welchem Abschnitt des dreißig Kilometer langen Ahrtals die Nothelfer aus Reutlingen und der Region tätig sein werden, was genau sie dort erwartet und welche Form der Unterstützung sie zu leisten haben. Bei Abfahrt hieß die Aufgabenstellung schlicht und ergreifend: Dort einspringen, wo helfende Hände benötigt werden.
Zunächst führt der Weg Vertreter der Freiwilligen-Abteilungen zur Sammelstelle in Bruchsal. Am Dienstag werden sie dann im Krisengebiet eintreffen und für die Dauer von fünf Tagen ihre Mission in Angriff nehmen – begleitet vom eindringlichen Appell ihres obersten Chefs »bitte einfühlsam auf die Menschen einzugehen«, deren Nerven blank liegen. Bislang, so Harald Herrmann, habe die Zusammenarbeit der Wehren zuzüglich Kräften des Technisches Hilfswerks und der Bundeswehr »hervorragend geklappt«. Er hofft deshalb, dass es auch den Ehrenämtlern in Uniform gelingt, an diese gute Kooperation anzuknüpfen.
Es müssen genügend Kräfte in der Heimat bleiben
Dass derer nicht noch mehr in den Kreis Ahrweiler entsendet wurden, hängt übrigens weniger mit den Sommerferien zusammen, als vielmehr mit einer klug kalkulierten Personallogistik beziehungsweise -Kontingentierung. Es müssen schließlich – für den Fall der Fälle – ausreichend Kräfte im Kreis Reutlingen verbleiben, um als schlagkräftige Gruppe bei Bränden, Unfällen oder neuerlichem Unwetter einsatzfähig zu sein.
Darauf wies Harald Herrmann hin, ehe er das Wort an Thomas Keck und Gerd Pflumm übergab. Beide lobten und dankten den Freiwilligen für ihre Bereitschaft, sich in der Hochwasserregion einzusetzen. Pflumm sprach von »gelebter Nächstenliebe«, Keck von einem »Einsatz mit Empathie – so, wie wir es von Ihnen gewohnt sind.« Beide wünschten Glück und Erfolg. Dann setzte sich der Tross in Bewegung. (GEA)