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Aktuell Tarifkonflikt

Öffentlicher Dienst: 800 Beschäftige bei Reutlinger Streik

Über 800 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in der Region haben sich laut Gewerkschaft an der Kundgebung zum Warnstreik auf dem Reutlinger Marktplatz beteiligt. Foto: Stephan Zenke
Über 800 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in der Region haben sich laut Gewerkschaft an der Kundgebung zum Warnstreik auf dem Reutlinger Marktplatz beteiligt.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. »Es geht um Existenzen und die Schuldenfalle«, ruft der Reutlinger Verdi-Gewerkschaftssekretär Jonas Weber der Menge auf dem Marktplatz zu, um der Forderung seiner Gewerkschaft nach einer zweistelligen Gehaltserhöhung im Öffentlichen Dienst Nachdruck zu verleihen. Buhrufe und Pfiffe für die kommunalen Arbeitgeber sind die Antwort von über 800 Menschen, die laut Verdi am Donnerstag zur Kundgebung im Rahmen des Warnstreiks gekommen sind. Das seien mehr als bei anderen Tarifkonflikten und ein deutliches Zeichen für die Kampfbereitschaft der Belegschaften.

Vor allem die unteren Entgeltgruppen erwarteten eine »offensive Tarifrunde«, sagt Jonas Weber. Weil bei ihnen der Geldbeutel ständig leer sei, viele vom Dispokredit lebten. Beifall dafür von den Demonstranten in ihren gelben Westen. Doch es gehe diesmal um mehr als nur einen dringend nötigen Zuschlag in der Lohntüte. »Wir haben in allen Bereichen des Öffentlichen Dienstes ein Nachwuchsproblem«, verkündet der Verdi-Funktionär ein bekanntes Problem, »dazu zu viel Arbeit und zu wenig Personal.« Beides liege auch an Gehältern, die im Vergleich zur Privatwirtschaft nicht konkurrenzfähig wirkten. Schließlich macht sich Weber Sorgen um die Zukunft. Wo sei das Konzept gegen den Personalnotstand, wenn sich bald die Generation der Babyboomer in den Ruhestand verabschiede, fragt der Gewerkschafter. Kurz und gut gehe es in der Ende Januar begonnenen Tarifrunde um eine bessere Finanzierung des Öffentlichen Dienstes, mehr Geld für bundesweit 2,4 Millionen Beschäftigte. Dem stimmen die protestierenden Frauen und Männer zu, die an ganz unterschiedlichen Orten in der Region arbeiten.

Mit Trillerpfeifen und wehenden Fahnen verleihen die Gewerkschaftlerinnen ihren Forderungen in der Tarifrunde Nachdruck. Foto: Stephan Zenke
Mit Trillerpfeifen und wehenden Fahnen verleihen die Gewerkschaftlerinnen ihren Forderungen in der Tarifrunde Nachdruck.
Foto: Stephan Zenke

Im Warnstreik sind Menschen, die bei der Stadt Reutlingen, den Stadtwerken Reutlingen, dem Landratsamt Reutlingen, den Kreiskliniken, der Kreissparkasse Reutlingen, der Bundesagentur für Arbeit Reutlingen sowie der Stadt Pfullingen und den Gemeinden Eningen unter der Achalm und Lichtenstein beschäftigt sind. Am Donnerstag arbeiten sie nur einen Tag nicht, was bereits spürbare Auswirkungen hat. »Die Sparkasse auf dem Marktplatz ist zu, das Jobcenter in der Albstraße auch, und etliche Kindertagesstätten natürlich«, zählt Benjamin Stein als Geschäftsführer des Bezirk Fils-Neckar-Alb von Verdi auf, »wir haben überall eine höhere Beteiligung«. Die Beschäftigten stünden hinter den hoch erscheinenden Forderungen. »Sie brauchen das Geld. Für alles sind Mittel vorhanden – aber nicht für den Öffentlichen Dienst«, beschreibt Stein die Gefühlslage der Frauen und Männer auf dem Marktplatz. Dementsprechend sei auch der Willen zur Durchsetzung der Forderungen mit einem Arbeitskampf groß.

Worum geht es beim Streik im Öffentlichen Dienst?

Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Gehalt für die Angestellten von Bund und Kommunen, mindestens aber ein Plus von 500 Euro. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hatte dies als »nicht leistbar« abgelehnt.

Am Angebot, das die Arbeitgeber in der zweiten Verhandlungsrunde vorgelegt hatten, kritisierte Verdi-Chef Werneke unter anderem eine »irre lange« Laufzeit von 27 Monaten. Zwei kleine Gehaltsschritte von 3 Prozent im Oktober 2023 und 2 Prozent im April 2024 seien angeboten. Eine Mindesterhöhung für untere Einkommensgruppen schlössen die Arbeitgeber aus, kritisierte Werneke. Von der angebotenen Erhöhung der Jahresleistung profitierten höhere Einkommensgruppen in besonderem Maße. Das sei unsozial. (dpa)

www.verdi.de 

www.dbb.de 

www.vka.de 

»Wir müssen jetzt was machen, um einen unbefristeten Streik zu vermeiden«, betont Stein die Bedeutung des Warnstreiks. »Das Angebot der Arbeitgeber ist definitiv nicht ausreichend. Zu wenig und zu spät«, sagt Funktionär Jonas Weber. Die Verdi-Fahnen werden wohl wieder auf dem Marktplatz wehen, wenn sich auch in der dritten Verhandlungsrunde im März keine Einigung ergibt. (GEA)