REUTLINGEN. Cindy Holmberg, Grünen-Kommunalpolitikerin und Ex-OB-Kandidatin, ist sauer: Wieso dürfen Männer kostenlos pinkeln auf öffentlichen Klos, Frauen müssen jedoch 50 Cent bezahlen? Das hat sie vor einigen Wochen zunächst beim Toilettenhäuschen neben der Stadthalle gesehen und ihren Ärger darüber gleich auf Facebook gepostet.
Jetzt also der zweite Fall: Auch beim neuen Klohäuschen in der Pomologie ist die Benutzung des Pissoirs kostenlos, wer sitzen will, muss dagegen 50 Cent zahlen. »Ich fasse das nicht. Wenn frau muss und kein Geld hat kann frau mit Kreditkarte bezahlen. Geht es noch? Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. Kann man sowas anzeigen?« schreibt sie in ihrem Facebook-Posting. Dafür erhält sie viel Zustimmung. Ein Facebook-Nutzer vermutet unter dem Posting: »Wenn Männer fürs Urinal zahlen müssten, würden manche halt lieber ins Büschle pinkeln...«
Ein Besuch vor Ort in der Pomologie. Carina und Lydia sitzen an diesem Freitag auf einem Teppich auf der Wiese und sonnen sich, nur ein paar Meter entfernt vom viel diskutierten Klohäuschen. »Ich hab den Kostenunterschied tatsächlich auch schon bemerkt«, sagt Carina. Die beiden jungen Frauen wohnen nur wenige Gehminuten von der Pomologie entfernt und benutzen das öffentliche Klo deshalb nicht, sagen sie. Trotzdem: »Ich find' das ungerecht, dass Männer kostenlos pinkeln dürfen«, sagt Carina. »Der Toilettengang ist doch eigentlich ein Grundbedürfnis.« Und dafür sollte man nicht mehr bezahlen müssen, nur weil man eine Frau ist.
Neben den WC-Schriftzügen am Pomologie-Klohäuschen sind vier Piktogramme zu sehen: Mann, Frau, ein Mensch im Rollstuhl und eine Frau, die ein Kind wickelt. Neben dem Pissoir-Schriftzug ist gar kein Piktogram - es ist also offiziell beiden Geschlechtern zur Benutzung freigegeben. Doch Männlein wie Weiblein wissen auch: Das ist anatomisch kaum möglich.
Spaziergängerin Anne ist zunächst voll des Lobes für das neue Häuschen: »Das sieht sehr ansehlich aus.« Auch sie wohnt in der Nähe der Pomologie, ist also nicht auf die Benutzung des Klohäuschens angewiesen. »Ich finde, dass öffentliche Toiletten auch nicht grundsätzlich kostenlos sein müssen«, sagt sie. »Aber wenn sie etwas kosten, dann sollten auch alle zahlen müssen.« Und was sagt ein Mann zur Diskussion? Hans sitzt mit seinem Sohn auf einer Bank im Schatten: »Meine Frau hat das Häuschen schon benutzt, ich nicht.« Ob er den Kostenunterschied ungerecht findet? Er nickt. Immerhin, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu: »Als meine Frau das benutzt hat, hab ich es gesponsort.«
Also, ein Blick ins vieldiskutierte Häuschen: Sowohl Pissoir als auch Sitzklo sind blitzeblank sauber, die Kabinen sind modern ausgestattet. Die Putzfrau, die gerade vor Ort ist, verrät, dass sie alle Klos jeden Tag einmal putzt. Insgesamt benötigt sie dafür 45 Minuten, das Pissoir sei aber einfacher und schneller zu putzen. Ist der unterschiedliche Reinigungsaufwand also der Grund für die unterschiedlichen Kosten? Das wäre nicht weniger ungerecht, findet jedenfalls Cindy Holmberg: »Frauen und Kinder zahlen also die Reinigung« der anderen, schreibt sie. Bei den Technischen Betriebsdiensten der Stadt, die für die Klohäuschen zuständig sind, war am heutigen Freitag niemand zu erreichen.
Eines kann die Putzfrau des Pomologie-Klohäuschens jedenfalls sagen: Selbst 50 Cent schützen das Häuschen scheinbar nicht vor dem Verwüstungswillen mancher Menschen. Sie läuft einmal um die Ecke und greift nach einem Gewächs, das auf dem Boden liegt: »Das habe ich heute im Klo gefunden«, sagt sie kopfschüttelnd. Unbekannte hätten es in die Schüssel gesteckt und mit Klopapier »garniert«. Wohlbemerkt: Ins Sitzklo, für dessen Zugang sie zuvor 50 Cent zahlen mussten. Nicht ins kostenlose Pissoir. (GEA)
Wie sich die Technischen Betriebsdienste drei Tage nach diesem Bericht zur Kostenregelung auf öffentlichen Toiletten geäußert haben, lesen Sie hier.