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Was die Metzinger Nachtwanderer 2023 vorhaben

Die Metzinger Nachtwanderer (von links) Gertrud Kleineikenscheidt, Thomas Ruf und Margarete Riedlinger im Gespräch mit Jugendlic
Die Metzinger Nachtwanderer (von links) Gertrud Kleineikenscheidt, Thomas Ruf und Margarete Riedlinger im Gespräch mit Jugendlichen. Foto: Norbert Leister
Die Metzinger Nachtwanderer (von links) Gertrud Kleineikenscheidt, Thomas Ruf und Margarete Riedlinger im Gespräch mit Jugendlichen.
Foto: Norbert Leister

METZINGEN. »Für viele Bürgerinnen und Bürger sind Jugendliche nur diejenigen, die Müll und Krach machen«, sagt Gertrud Kleineikenscheidt. Doch ihre Erfahrungen als Gründungsmitglied der Metzinger Nachtwanderer sind ganz andere. In den vergangenen zehn Jahren haben sie offene, gesprächsbereite und auch größtenteils freundliche junge Menschen erlebt.

Das bestätigen auch Margarete Riedlinger und Thomas Ruf aus Bad Urach – beide sind ebenfalls als Wanderer in der Nacht unterwegs, bieten sich als Gesprächspartner für die Metzinger Jugend an. »Die meisten, die sich an bestimmten Plätzen in der Stadt treffen, kennen uns schon, sie machen die Musik leiser, wenn wir kommen, manchmal werden wir mit freundlichem Johlen begrüßt«, sagt Kleineikenscheidt, die ehemalige Gemeinderätin.

»Ihr seid die einzigen Erwachsenen, die mit uns reden«

Auf den Weg gebracht wurden die Metzinger Nachtwanderer vor elf Jahren, die Mobile Jugendberatung kannte das Konzept aus Schweden und hat in der Sieben-Keltern-Stadt dann aktive »Wanderer« gesucht. »Anfangs waren wir 16«, erinnert sich Kleineikenscheidt. Momentan sind es noch etwa zehn Aktive, die zwischen März und Oktober an Freitagen, Samstagen, vor Feiertagen losgehen wollen. »Wir entscheiden selbst darüber, wann wir wandern.« Es hänge vom Wetter ab, von der Temperatur und auch von Lust und Laune. »Es zwingt uns ja niemand«, sagt Riedlinger.

Mit-Wanderer werden dringend gesucht, zu dritt gehen sie normalerweise auf Tour, mit mindestens einem Mann. Warum sie das überhaupt tun? Sie möchten Vertrauen aufbauen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen in der Stadt. So ist es in der Broschüre zum zehnjährigen Bestehen zu lesen. »Wir wollen Jugendlichen unsere Unterstützung anbieten, Konflikte entschärfen, das soziale Klima verbessern.« Und sie treten respektvoll gegenüber den jungen Menschen auf. Wertschätzend. »Beides erleben Jugendliche zu selten«, betont Ruf.

MITMACHEN?

Wer sich als Nachtwanderer in Metzingen betätigen möchte, kann sich an die Mobile Jugendberatung oder an Gertrud Kleineikenscheidt wenden. (nol) 07123 41575 mjb-metzingen@hilfezurselbsthilfe.org 07123 206615 gertrud@kleineikenscheidt.de www.die-nachtwanderer.de

»Ein Jugendlicher hat mal gesagt: Ihr seid die einzigen Erwachsenen, die mit uns reden«, berichtet Gertrud Kleineikenscheidt. »Dabei habe ich früher selbst immer einen großen Bogen um jugendliche Gruppen gemacht«, sagt die treibende Kraft der Nachtwanderer. »Für mich ist es ein Riesengewinn, dass ich jungen Menschen heute positiv begegne.« Margarete Riedlinger sieht das genauso, Thomas Ruf hatte noch nie Probleme damit: Er bringe allen Jugendlichen zuerst mal Sympathie entgegen. »Viele erleben doch, dass sie nicht wirklich akzeptiert werden.« Sollten Jugendliche bei den Begegnungen mit den Nachtwanderern auch mal ablehnend sein – was selten vorkomme, »dann merken wir das ganz schnell«, so Riedlinger. Wird die Musik nicht leiser gedreht, wenden sich Jugendliche ab – »dann gehen wir wieder, wir sind ja nicht vom Ordnungsdienst, von der Polizei oder von einer religiösen Vereinigung, wie mal jemand vermutete«, berichtet Kleineikenscheidt schmunzelnd.

Die Nachtwanderer bieten das Gespräch an, sind interessiert, fragen, was die Jugendlichen beschäftigt. »Mit Drogen, völlig Betrunkenen, mit Gewalt, auch verbaler Gewalt, habe ich noch nie was zu tun gehabt«, so Ruf. Sollten Jugendliche im Gespräch auf persönliche Probleme zu sprechen kommen, »verweisen wir an die Mobile Jugendberatung, wir haben meist Flyer dabei«.

Apropos: »Wir treffen uns etwa dreimal im Jahr mit den Streetworkern.« Die auch fachliche Unterstützung von Katharina Huber, Josephine Kobe und bis vor einigen Monaten von Patrick Differt sei gut. Und wichtig. Und ein wesentlicher Punkt, warum es die Nachtwanderer heute noch gibt, nach mehr als zehn Jahren.

Und wie geht’s weiter? »Auf in die nächsten zehn Jahre«, sagt Thomas Ruf und lacht. Naja, schränken Gertrud Kleineikenscheidt und Margarete Riedlinger ein: »Jetzt werden wir erstmal im März wieder wandern.« Wann genau das sein wird, lassen sie offen. Ganz nach Lust und Laune. Und Wetter. Gute Termine seien immer Wochenenden vor Ferien, da seien oft Jugendliche draußen.

»Die Zahl der Jugendlichen in der Stadt abends hat abgenommen«

Obwohl sich doch was verändert hat: »Die Zahl der Jugendlichen, die sich in der Stadt abends treffen, hat in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen«, sagt Riedlinger. Vermutlich würden immer mehr vor dem Computer abhängen, mutmaßt Ruf. Er sieht das als schlechtes Zeichen. »Weil in Gruppen ja immer auch das Sozialverhalten eingeübt wird.« Und wenn das fehlt … Ruf lässt das Ende des Satzes bewusst offen. (GEA)