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Ist das Tübingens neue Partnerstadt in der Ukraine?

Liste mit neun Städten geprüft. Tübingen will Krementschuk eine Solidaritäts-Partnerschaft anbieten. Vor ein paar Jahren gab’s schon mal eine Anfrage.

Eine der Attraktionen, die Besucher der Universitätsstadt an Tübingen schätzen: die Neckarfront  FOTO: KAMMERER
Die Tübinger Neckarfront. Foto: Kathrin Kammerer
Die Tübinger Neckarfront.
Foto: Kathrin Kammerer

TÜBINGEN. Die Unistadt ist auf der Suche nach einer Partnerstadt in der Ukraine – und die Sache wird konkret. Aus einer Gruppe von neun Kandidaten hat sich eine Favoritin herausgeschält: Krementschuk soll es sein.

Die Stadt am Dnjepr, 300 Kilometer südöstlich von Kiew, ist in Tübingen nicht völlig unbekannt. Vor dem Krieg, 2019, gab’s schon mal eine Anfrage aus Krementschuk. Damals war die weltpolitische Lage noch ganz anders.

Jetzt will Tübingen Solidarität zeigen. Die Voraussetzungen für Verbindungen hält man im Rathaus für günstig. Krementschuk hat auch eine Uni – laut Wikipedia sogar zwei: eine staatliche polytechnische und eine private für Wirtschaft, Informationstechnologien und Management. Die Zahl der Studierenden ist in Tübingen fast doppelt so hoch. Krementschuk wiederum zählt mehr als doppelt so viele Einwohner wie Tübingen.

Gelsenkirchen war schneller

Nun will man die erste Phase der Annäherung starten und dabei das Generalkonsulat einbinden, das schon Unterstützung signalisiert hat. Zunächst soll’s Online-Treffen geben. Im Zuge des weiteren Verfahrens will man klären, wo sich Anknüpfungen ergeben. Eine Gruppe von Künstlern habe schon seit 25 Jahren Kontakte zur Kulturszene in Krementschuk.

In der Vorauswahl hat man sich offenbar auch intensiv mit Poltava beschäftigt. Doch diese Stadt ist noch größer und schon seit 25 Jahren mit Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern verbunden. Unter den anderen auf der Liste ist hierzulande vor allem Mykolajiw bekannt, das derzeit fast täglich in den Nachrichten vorkommt.

Auch bei der Partnerschaft mit Krementschuk war eine andere deutsche Stadt schneller als Tübingen. Gelsenkirchen hat die zentral-ukrainische Stadt schon 2022 als Partnerkommune außerhalb der offiziellen Städtepartnerschaften angenommen. Im Laufe des Jahres habe sich ein besonders enger Austausch entwickelt, ist von dort zu hören.

Tübingen geht davon aus, dass man eine Solidaritäts-Partnerschaft eingeht. Die Stadtverwaltung schlägt vor, sie erst mal bis »fünf Jahre nach Beendigung des Krieges« zu befristen. Danach gehe man nicht zwangsläufig auseinander. Entwickeln sich die Verbindungen wie erhofft, könnte man alles in eine »normale« Partnerschaft überführen. Der Gemeinderats-Ausschuss berät nächste Woche. (-jk)

»STECKBRIEF« KREMENTSCHUK

Am Dnjepr, 215 000 Einwohner, nicht direktes Kriegsgebiet

Krementschuk liegt in der Zentral-Ukraine am Dnjepr. Die Entfernung beträgt rund 2 200 Kilometer. Unter 24 Stunden Fahrtzeit mit dem Auto ist da nichts zu machen. Einwohner: 215 000 Alter: 1571 als Festung gegründet, 1765 zur Stadt erhoben. Charakter: Handels- und Industriestadt, wirtschaftliches Zentrum des Bezirks Poltava. Knotenpunkt von Erdöl- und Erdgas-Pipelines. Mit Theater und Kulturpalast. Zerstörungen: Krementschuk ist nicht direktes Kriegsgebiet. Wärmekraftwerk, Raffinerie und ein Einkaufszentrum wurden beschossen. Viele Binnenflüchtlinge suchen hier Schutz. Name: Er leitet sich von Kremin = Feuerstein ab. Weitere Partnerschaften: 13, darunter zwei mit chinesischen Städten und eine in Übersee (Providence, Rhode Island, USA).