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Europäische Zentralbank erhöht Leitzins: Die Einsicht kommt sehr spät

EZB in Frankfurt am Main
Das Licht der untergehenden Sonne spiegelt sich in der EZB-Glasfassade in Frankfurt am Main. Foto: Boris Roessler
Das Licht der untergehenden Sonne spiegelt sich in der EZB-Glasfassade in Frankfurt am Main.
Foto: Boris Roessler

Mit einer kräftigen Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte stemmt sich die Europäische Zentralbank (EZB) nun endlich energisch gegen die extrem hohe Inflation von zuletzt 9,1 Prozent im Euroraum. Die Notenbank unter Führung von Christine Lagarde hat lange Zeit die Geldentwertung für ein vorübergehendes Phänomen gehalten und an ihrer langjährigen lockeren Geldpolitik festgehalten. Nun kam die Einsicht – im Vergleich zu anderen Zentralbanken kam sie sehr spät.

Die EZB war in Zugzwang geraten. Ihre Glaubwürdigkeit als Hüterin der Währung mit der Hauptaufgabe, die Preisstabilität zu sichern, steht auf dem Spiel. Daher entschieden sich die Verantwortlichen nun für einen historischen Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte – und nicht für die bei ihrer Sitzung im Juli in Aussicht gestellte Anhebung um nur 0,5 Prozentpunkte. Die aktuell massive Geldentwertung ist eine hohe Belastung für viele Europäer und birgt die Gefahr von politischen Unruhen. Auch daher war es geboten, Prioritäten zu setzen und Entschlossenheit zu zeigen.

Bis eine Zinserhöhung im Kampf gegen eine hohe Inflation wirkt, kann es allerdings dauern. Geduld ist gefragt. Wegen der schwierigen konjunkturellen Lage in der Eurozone ist eine Zinserhöhung natürlich nicht unproblematisch. Eine Rezession, verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, kann die Folge sein. Auch deshalb wäre ein früheres Handeln der EZB gut gewesen. Für die hoch verschuldeten südeuropäischen Staaten entstehen mit höheren Zinsen durchaus neue Herausforderungen. Von deren Politikern ist nun Umsicht gefragt. Dies gilt aber auch von Tarifpartnern – etwa in der deutschen Metall- und Elektroindustrie.

 

uwe.rogowski@gea.de