REUTLINGEN. In Syrien ist momentan nur eins sicher: Das Regime Assad gehört der Vergangenheit an. Was nun kommt, ist noch völlig unklar. Liegt vor dem Land eine Zukunft in Freiheit? Oder folgt eine weitere Diktatur? Hält sich Rebellenführer Haiat Tahrir al-Scham und seine islamistische Gruppe HTS an der Macht? Drängt eine andere radikale Gruppierung an die Spitze oder versuchen Assads Eliten, sich zurück an die Macht zu kämpfen und droht ein blutiger Bürgerkrieg? All diese Frage sind noch offen und wenige Tage nach dem Sturz Assads herrscht wenig Klarheit. Deswegen sind die Forderungen, die aus ganz bestimmten politischen Ecken in Deutschland kommen, syrische Flüchtlinge müssten zurück in ihre Heimat, verfrüht und undurchdacht.
Natürlich muss jeder, der massiv straffällig geworden ist, damit rechnen, abgeschoben zu werden. Auch nach Syrien. Auch ist es völlig richtig, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Entscheidungen über Asylanträge von Syrern stoppt. Bisher wurden die meisten Menschen von dort automatisch als Flüchtlinge anerkannt. Nun aber von all diesen Menschen zu verlangen, sie mögen doch unverzüglich in ihre Heimat zurückkehren, ist undurchdacht, inhuman und vor allem unrealistisch. So lange die Gefahr besteht, dass das Land in einem Bürgerkrieg versinkt.
Zumal viele Syrer in Deutschland nicht nur wohlgelitten sind, sondern dringend gebraucht werden. Wie etwa Ryyan Alshebl, der als Flüchtling aus Syrien kam und nun Bürgermeister der Schwarzwald-Gemeinde Ostelsheim ist. Daneben gibt es viele Syrer, die gebildet und integriert sind, etwa im Bereich Medizin und Pflege. Da ist Deutschland mehr gedient, wenn sie bleiben als wenn sie gehen. Deutschland sollte sich vielmehr am Wiederaufbau in Syrien engagieren, wenn die Lage dort wieder stabil ist. Dass heißt nicht nur, Gelder hineinbuttern. Da heißt auch, Geschäftsbeziehungen aufbauen, von denen deutsche Unternehmen schon bald profitieren. Und dass ein Syrien aufgebaut wird, in das Menschen, die hier keinen Fuß auf den Boden bekommen haben, wieder gerne zurückkehren.