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Prozess mit Happy-End in Münsingen: Täter und Opfer geben sich Handschlag

Gericht
Akten liegen vor einem Prozess in einem Landgericht auf dem Tisch. Foto: Swen Pförtner
Akten liegen vor einem Prozess in einem Landgericht auf dem Tisch.
Foto: Swen Pförtner

MÜNSINGEN. Die Versöhnung zwischen einem Täter und seinem Opfer bleibt im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Tübingen immer noch die Ausnahme. Zu den sieben untergeordneten Amtsgerichten gehört auch das in Münsingen. Dort kam es dieser Tage vor der Verhandlung wegen »Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung« zwischen den beiden Angeklagten und dem Geschädigten zu einem Handschlag mit Entschuldigung. Obendrauf übergaben Vater (59 Jahre) und Sohn (27 Jahre) dem 25-jährigen Bedrohten jeweils einen 50-Euro-Wertgutschein eines Onlineversandhändlers als Wiedergutmachung.

Im Anschluss wurde zwar noch verhandelt, letztendlich waren sich jedoch alle Parteien einig, auch Staatsanwältin Bettina Schmid und Amtsrichter Marian Jander sowie die beiden Rechtsanwälte, dass das Verfahren eingestellt wird.

»Vor der Verhandlung wurde alles aus der Welt geschafft«

Was war geschehen? Die Angelegenheit hatte sich Mitte April vergangenen Jahres in einem Supermarkt in einem dort untervermieteten Laden zugetragen. Einer Angestellten war fristlos gekündigt worden, da sie während der Arbeitszeit etwas aus dem Sortiment habe mitlaufen lassen, so der Vorwurf. Daraufhin stellen wenig später ihr 27-jähriger Freund und sein 59-jähriger Vater den Shop-Besitzer vor Ort zur Rede. Der Junior, ein gelernter Maurer, bezeichnete den 25-Jährigen als »Hurensohn«. Der Senior, ein Arbeiter, legte noch eine Schippe obendrauf, nannte ihn ein »Riesenarschloch« und drohte ihm: Er müsse aufpassen, dass, wenn er ihn auf der Straße treffe, er danach nicht mehr werde arbeiten können.

Amtsrichter Marian Jander hatte es zum ersten Mal mit einem Täter-Opfer-Ausgleich in einer Hauptverhandlung zu tun. FOTO: LENK
Amtsrichter Marian Jander hatte es zum ersten Mal mit einem Täter-Opfer-Ausgleich in einer Hauptverhandlung zu tun. FOTO: LENK
Amtsrichter Marian Jander hatte es zum ersten Mal mit einem Täter-Opfer-Ausgleich in einer Hauptverhandlung zu tun. FOTO: LENK

»Ja, vor der Verhandlung wurde alles aus der Welt geschafft, die beiden Herren haben sich bei mir entschuldigt«, bestätigte der Shop-Betreiber im Zeugenstand. »Für mich ist die Sache damit erledigt«, fügte er hinzu und zog seinen Strafantrag zurück. Die Strafprozessordnung sieht in diesem Fall vor, dass der Antragsteller, der Bedrohte, die Gerichtskosten sowie die Kosten der Angeklagten und ihrer Rechtsanwälte zu tragen hat. In diesem Fall gaben Vater und Sohn zu Protokoll, alle anfallenden Kosten übernehmen zu wollen. Das Entgegenkommen des Shop-Besitzers sollte ja nicht zu seinen Ungunsten sein.

Den beiden Angeklagten fiel sichtlich ein Stein vom Herzen, dass das Verfahren eingestellt wurde. Sowohl der Senior als auch der Junior stehen wegen einer anderen Geschichte noch unter Bewährung. Hätte die Hauptverhandlung mit einem Urteil geendet, hätte es sein können, dass der Vater in den Knast gewandert wäre. Richter Jander sprach von »erheblichen Folgen«, die hätten eintreten können.

»Der Ausgleich ist eine rühmliche Ausnahme vor Gericht«

Das alles bleibt dem 59-Jährigen nun aber erspart. Er muss jedoch der KBF Stiftung mit Sitz in Mössingen, die Träger eines Netzes von Fördereinrichtungen für Menschen mit Behinderungen und alten Menschen ist, 250 Euro überweisen.

»Der sogenannte Täter-Opfer-Ausgleich ist eine rühmliche Ausnahme vor Gericht«, bestätigte Amtsrichter Jander nach der Verhandlung. Er habe das in seinem Berufsleben zum ersten Mal erlebt, für Staatsanwältin Schmid war es das dritte Einstellungsurteil während ihrer Laufbahn als Vertreterin der Anklage. (lejo)