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Nach Münsingen: Noch mehr Orte wehren sich gegen Schließung von Notfallpraxen

13 Gemeinden, darunter Münsingen, gehen juristisch gegen die Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung vor.

Die Albklinik in Münsingen. Hier ist die Notfallpraxis von der Schließung bedroht.
Die Albklinik in Münsingen. Hier ist die Notfallpraxis von der Schließung bedroht, wie an 18 weiteren Standorten in Baden-Württemberg. Foto: Archiv: Baier
Die Albklinik in Münsingen. Hier ist die Notfallpraxis von der Schließung bedroht, wie an 18 weiteren Standorten in Baden-Württemberg.
Foto: Archiv: Baier

MÜNSINGEN. Am 21. Oktober 2024 hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) überraschend die Schließung von einem Drittel der Notfallpraxen an 18 Standorten verkündet. Dagegen regt sich Widerstand in der Bürgerschaft und in den betroffenen Gebieten. Nun haben sich 13 Städte, darunter Münsingen, zusammengeschlossen und gestern Klage beim Sozialgericht in Stuttgart eingereicht. Das geht aus einer gemeinsamen Pressemitteilung hervor.

Die 13 Kommunen argumentieren vor allem mit der unterbliebenen Beteiligung: Es habe vonseiten der KVBW keinerlei Kooperation gegeben, »weder in Form einer Abstimmung der Planungen, noch in Form einer Bedarfsermittlung, noch in Form von ergebnisoffenen Gesprächen über mögliche Alternativlösungen«. Man sehe den Bedarf für Reformen durchaus und stelle sich nicht generell gegen eine Neustrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdiensts. Aber der Informationsfluss zu den genauen Kriterien und Gründen sei bis heute unzureichend.

Am 21. Oktober 2024 hatte die KVBW ihre Pläne in einer Pressekonferenz öffentlich gemacht – die betroffenen Gemeinden seien weniger als zwei Stunden vorher offiziell über die Schließungspläne informiert worden, kritisieren die 13 klagenden Kommunen. Durchgesickert waren die Pläne allerdings schon vorher, am 16. Oktober richteten die Bürgermeister der 18 betroffenen Kommunen ein Schreiben an Sozialminister Manne Lucha und machten die Sache öffentlich.

Vor vollendete Tatsachen gestellt

Am 19. Dezember wurden die 18 Orte über die Details unterrichtet: Wann wird welche Praxis geschlossen? Für Münsingen gilt das Stichdatum 30. September 2025. Man habe die Städte »vor vollendete Tatsachen gestellt«, kritisieren die betroffenen Kommunen. Das intransparente Vorgehen der KVBW sei rechtswidrig, sagt Münsingens Bürgermeister Mike Münzing ganz konkret: »Die KVBW hat eine Beteiligungspflicht gegenüber den betroffenen Gebietskörperschaften, die sie durch ihre Vorgehensweise nicht erfüllt hat.«

Münzing findet deutliche Worte: »Die KVBW klagt regelmäßig über Versorgungssicherheit im ambulanten Bereich, kommt aber nicht auf die Idee, sich mit den Betroffenen zusammenzusetzen und nach Lösungen zu suchen. Dieser Prozess ist exemplarisch für das Wirken der KVBW, die immer nur eigene Nabelschau betreibt und keine sozialraumorientierte Versorgung im Sinn hat.«

Bereits am 1. April sollen die ersten drei Standorte in Bad Saulgau, Kirchheim unter Teck und Neuenbürg geschlossen werden. Für diese drei beantragen die 13 Kommunen beim Sozialgericht zusätzlich den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um eine kurzfristige Schließung und damit letztlich die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die KVBW vorerst zu verhindern.

Die KVBW hatte als zentralen Grund für ihren Entschluss, 18 Notfallpraxen zu schließen, eine Entscheidung des Bundessozialgerichts genannt. Darin ging es um den Beschäftigtenstatuts der »Pool-ärzte«, die in der Vergangenheit zu einem großen Teil den Notdienst, den eigentlich die Vertragsärzte zu leisten hätten, übernommen haben. Nach Auffassung der Gemeinden wirkt sich dieses Urteil allerdings nicht nachteilig auf den Betrieb der Notfallpraxen aus.

Für den Fortbestand der Münsinger Notfallpraxis, deren Einzugsgebiet viele Nachbarkommunen auf der Alb umfasst, kämpfte eine Bürgerinitiative (BI) in den vergangenen Monaten vehement. Am 19. Februar übergaben 25 Vertreter der BI und des Gemeinderats über 22.000 Unterschriften an Sozialminister Manne Lucha. Lucha hatte in seiner Rechtsaufsichtsfunktion die Pläne der KVBW unterstützt und sich damit den Unmut nicht nur der Landräte und Bürgermeister, sondern auch Abgeordneter aller Landtagsfraktionen zugezogen. Bedenken an den Plänen der KVBW hatte unter anderen auch der für den ländlichen Raum zuständige Minister Peter Hauk geäußert. (ma/pm)