MÜNSINGEN/GRABENSTETTEN. Wenn spät abends um 22 Uhr eine Whatsapp-Nachricht von einem Mitarbeiter beim Chef eingeht, verheißt das selten etwas Gutes. Jochen Ladner, Inhaber von Ladners Ochsenbeck, eines in der Region gut bekannten Bäckers mit zentraler Backstube in Grabenstetten und neun Verkaufsstellen , bekam am Mittwoch vor zwei Wochen so eine Nachricht: Ein Mitarbeiter der Backstube – er selbst ohne Symptome – und seine Frau wurden positiv auf Corona getestet.
Britische Variante
Ladner reagierte am nächsten Morgen und rief einen befreundeten Arzt an: »Wir brauchen Tests.« Am gleichen Tag wurde ein Testzentrum in Grabenstetten eingerichtet, »getestet wurden alle, Bäcker, Konditoren, der Versand, die Fahrer«, erzählt Ladner. Das ernüchternde Ergebnis: Die PCR-Schnelltests ergaben zwei weitere positive Fälle in der Belegschaft. Das bedeutete Quarantäne für die Betroffenen und ein noch penibleres Einhalten der Hygiene- und Abstandsregeln im Betrieb. Die Laborergebnisse der gründlicheren PCR-Test bestätigten bis zum Samstag die Ergebnisse der Schnelltests. Wichtiger aber: In einem Fall wurde die deutlich ansteckendere britische Variante des Virus’ festgestellt. »Das war der Worst-Case«, sagt Ladner, »ohne die Mutation hat unser Hygienekonzept funktioniert.«
Im Laufe des Sonntags fällt der Unternehmer die Entscheidung: Wir schließen. Und nicht nur die Backstube, auch alle Filialen. Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, erinnert sich Ladner. Ein Unternehmen, das aus eigenem Entschluss schließt, hat – anders als per amtlicher Anordnung verordnet – keinen Anspruch auf Entschädigung. Für an Corona Erkrankte greifen die üblichen Regeln der Lohnfortzahlung, das Unternehmen bezahlt sechs Wochen lang Löhne und Gehälter weiter, wie bei einer Grippe oder einem Beinbruch. Jetzt bezahlt Ladner zusätzlich das Entgelt für die Quarantänefälle, da kommt bei 150 Mitarbeitern einiges zusammen. Staatliche Hilfen sind möglich, die Mühlen mahlen aber langsam: »Wir rechnen mit mindestens sechs Monaten Bearbeitungszeit unserer Anträge«, schätzt Ladner und hält das Prozedere nicht für glücklich: »Da ist sicher die Versuchung da, einfach weiterzumachen, aus Angst vor der Pleite.«
Am Montagmorgen verständigt er das Gesundheitsamt, alle Mitarbeiter – auch die in den Filialen – werden getestet, es finden sich noch einmal zwei Fälle in der Backstube. Die gute Nachricht ist, dass in den Verkaufsstellen niemand betroffen ist, so sind auch keine Kunden tangiert.
Alle wieder wohl auf
In den mittelständischen Betrieben kennt man sich. Ladner erkundigt sich bei einem Mitarbeiter mit Herzschrittmacher nach seinem Befinden. Er erkundigt sich nach den Familien, wie es Kindern oder den besonders gefährdeten Großeltern geht. Der Kontakt wird per Telefon oder Whatsapp aufrechterhalten. Irgendwann ändert sich der Tenor: »Wie geht es eigentlich dir, Chef«, wollen manche jetzt wissen. Nicht immer gut, aber trotz der finanziellen Einbußen ist Ladner sicher: »Es war die richtige Entscheidung. Wie haben auf absolute Transparenz gesetzt und bekommen viele positive Rückmeldungen auch von den Kunden.«
Ab Freitag haben alle Verkaufsstellen von Ladners Ochsenbeck wieder geöffnet. Dann haben alle Mitarbeiter ihre Quarantäne hinter sich, alle wurden negativ getestet. Und wichtiger noch: Es hat nur milde Verläufe gegeben, alle sind wieder wohlauf. (wu)